Die Königliche (German Edition)
Wahrheitsmördern erfahren hatte. Und jetzt war Katsa weg, auf dem Weg zu irgendeinem Tunnel. Giddon würde auch bald aufbrechen, genau wie Raffin und Bann. Wie konnte so viel in so kurzer Zeit geschehen?
Saf.
Die Stickereien ihrer Mutter – fröhliche Fische, Schneeflocken und Schlösser in ihren Reihen, Boote und Anker, die Sonne und Sterne – erfüllten Bitterblue mit einem Gefühl der Einsamkeit. Noch bevor sie sich richtig hingelegt hatte, war sie eingeschlafen.
Sowohl Thiel als auch Runnemood waren am nächsten Morgen von dem Kratzer auf ihrer Stirn ziemlich schockiert. Vor allem Thiel tat so, als hinge ihr Kopf nur noch an einem Faden, bis sie ihn anfuhr, er solle sich zusammenreißen. Runnemood, der wie immer in der Fensternische saß, strich sich mit funkelnden Juwelenringen und funkelnden Augen mit der Hand durchs Haar. Er starrte sie unentwegt an. Bitterblue hatte das Gefühl, dass er ihr nicht glaubte, als sie ihm sagte, der Kratzer stamme vom Training mit Katsa.
Als Darby hereingestürzt kam, nüchtern, mit leuchtenden Augen und erschüttert, dass die Königin etwas so Fürchterliches wie einen Kratzer hatte, beschloss Bitterblue, dass es höchste Zeit sei, eine Pause von ihrem Turmzimmer einzulegen. »Bibliothek«, sagte sie als Antwort auf Runnemoods fragend gehobene Augenbrauen. »Keine Sorge, ich bleibe nicht lange.«
Auf dem Weg die Wendeltreppe hinunter, schwankend an die Wand gelehnt, änderte Bitterblue ihre Meinung. Sie hatte in den letzten Tagen nicht viel Zeit in ihrem Obersten Gericht verbracht; offenbar wurde gerade nichts Interessantes verhandelt. Aber heute wollte sie sich gerne eine Weile zu ihren Richtern setzen, selbst wenn das bedeutete, mit zusammengebissenen Zähnen einer langweiligen Grenzstreitigkeit oder so etwas zuzuhören. Sie wollte ihnen ins Gesicht sehen, ihr Verhalten beurteilen, um ein Gefühl dafür zu bekommen, ob einer dieser acht mächtigen Männer vielleicht der Typ dazu war, die Wahrheitssucher der Stadt zum Schweigen zu bringen.
Die Wahrheitssucher der Stadt. Immer wenn sie heute an sie dachte, flammten Trauer und Scham in ihrem Herzen auf.
Als sie das Oberste Gericht betrat, hatte bereits ein Prozess begonnen. Bei ihrem Anblick erhob sich der gesamte Gerichtshof. »Bringen Sie mich auf den neuesten Stand«, sagte sie zu dem Schreiber, als sie über das Podest zu ihrem Platz ging.
»Angeklagt wegen vorsätzlichen Mordes, Königin«, sagte der Schreiber energisch. »Name in Monsea: Birch; Name in Lienid: Sapphire. Sapphire Birch.«
Bitterblue war der Mund aufgeklappt und ihr Blick raste zu dem Angeklagten, bevor ihr Gehirn überhaupt verarbeitet hatte, was sie da hörte. Erstarrt blickte sie in das verletzte, blutige und vollkommen verblüffte Gesicht von Sapphire.
Bitterblue bekam keine Luft und einen Moment sah sie Sterne.
Sie wandte den Richtern, dem Saal und der Galerie den Rücken zu und stolperte verwirrt zu dem Tisch hinter dem Podest, wo Material gelagert wurde und die Schreiber standen, damit so wenige Leute wie möglich ihre Verwirrung bemerkten. Sie klammerte sich am Tisch fest, um nicht umzukippen, griff nach einer Feder, tauchte sie in Tinte, streifte sie ab. Sie tat so, als würde sie sich etwas notieren, etwas überaus Wichtiges, das ihr gerade eingefallen war. Noch nie hatte sie eine Feder so fest umklammert.
Als ihre Lunge wieder Luft hereinzulassen schien, fragte sie beinahe flüsternd: »Wer hat ihn so zugerichtet?«
»Wenn Sie sich setzen wollen, Königin«, erwiderte Lord Pipers Stimme, »werden wir dem Angeklagten diese Frage stellen.«
Vorsichtig wandte sich Bitterblue den stehenden Gerichtsmitgliedern zu. »Sagen Sie mir sofort, wer ihn so zugerichtet hat.«
»Hmm.« Piper musterte sie verwundert. »Der Angeklagte wird die Frage der Königin beantworten.«
Ein Moment des Schweigens. Bitterblue wollte Saf nicht wieder ansehen, aber es ließ sich unmöglich vermeiden. Sein Mund war ein blutiger Spalt und ein Auge war fast vollkommen zugeschwollen. Sein Mantel, der ihr so vertraut war, war an einer der Schulternähte eingerissen und mit getrocknetem Blut befleckt. »Die Monsea-Wache hat mich so zugerichtet«, sagte er, hielt dann inne und setzte hinzu: »Königin.« Dann noch einmal: »Königin.«
»Das reicht«, sagte Piper streng.
»Königin«, sagte Saf erneut, ließ sich plötzlich auf seinen Stuhl fallen, kicherte hysterisch und fügte hinzu: »Wie konntest du nur?«
»Es war nicht die Königin, die Sie geschlagen
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