Die Königliche (German Edition)
die ich mich ausgegeben habe«, sagte Bitterblue. »Und ich weiß auch nicht, wer es war. Ich habe ihn nicht erkannt und er hat nichts gesagt. Aber ich glaube, dass die Beschenkte dort war, Bo. Holts Nichte mit der Gabe der Tarnung. Ich glaube, sie ist mir zu Hilfe gekommen.«
»Ah«, sagte Bo und blieb plötzlich stehen. Dann stemmte er die Hände in die Hüften und setzte eine eigenartige Miene auf. Eine Art einstudierte Gleichgültigkeit.
»Holts Nichte?« Katsa warf Bo einen erstaunten Blick zu. »Hava? Was ist mit ihr? Und warum hast du lauter Glitzerzeug im Gesicht, Bitterblue?«
»Oh.« Bitterblue setzte sich auf einen Stuhl und rieb blindlings an der Schminke in ihrem Gesicht, die sie nicht sehen konnte, was ihr die ganze unglückliche Nacht wieder ins Gedächtnis rief. »Frag mich bitte nicht nach der Schminke, solange Bo dabei ist, Katsa«, sagte sie und kämpfte mit den Tränen. »Die Schminke ist meine Privatsache. Sie hat nichts mit dem Angriff zu tun.«
Katsa schien das zu verstehen. Sie ging zu einem kleinen Tischchen und goss Wasser in eine Schüssel. Dann kniete sie sich hin und strich mit einem weichen Tuch und kühlem Wasser über Bitterblues Gesicht, tupfte ihre brennende Stirn ab. Diese Liebenswürdigkeit war zu viel für Bitterblue. Dicke Tränen liefen ihr über die Wangen, die Katsa gleich mit abtupfte.
»Bo«, sagte Katsa in bedächtigem Tonfall, »warum stehst du so da und versuchst unschuldig auszusehen? Was ist mit Hava?«
»Ich bin unschuldig«, sagte Bo gekränkt. »Ich habe sie vor einer Woche oder so kennengelernt, das ist alles.«
»Ah.« Plötzlich verstand Bitterblue, woher Bo gestern Abend so genau über die Sache mit Holt und den Skulpturen Bescheid gewusst hatte. »Du bist mit meiner Entführerin befreundet. Na wunderbar!«
»Sie ist im Schloss herumgeschlichen«, fuhr Bo fort, ohne darauf einzugehen, »weil sie Holt besuchen wollte. Ich habe gespürt, dass sie vorgab, eine Skulptur in einem der Flure zu sein, und sie festgehalten. Wir haben uns unterhalten. Ich vertraue ihr. An jenem Tag mit Danzhol war sie überhaupt nicht eingeweiht, Bitterblue. Bis zum entscheidenden Moment war ihr gar nicht klar, dass er vorhatte, dich zu entführen. Sie fühlt sich ganz schrecklich deswegen. Auf jeden Fall hat sie sich bereit erklärt, in den frühen Morgenstunden ein Auge auf deine Sicherheit zu haben. Es macht mir Sorgen, dass sie mich nicht kontaktiert hat«, fügte er hinzu und rieb sich mit beiden Händen übers Gesicht, »weil ich sie gebeten hatte, sich mit mir in Verbindung zu setzen, wenn je irgendetwas passieren sollte. Wie weit vom Schloss entfernt hat der Angriff stattgefunden, Bitterblue? Ich kann sie nirgendwo da draußen entdecken.«
»Sich wie mit dir in Verbindung zu setzen?«, fragte Katsa und reichte Bitterblue geistesabwesend das Tuch.
»Es war in der Nähe der östlichen Mauer«, sagte Bitterblue, »nicht direkt in Sichtweite, aber nur eine Straße weiter. Was soll das, sie darum zu bitten, dass sie ein Auge auf mich hat, Bo? Sie wird wegen eines Verbrechens gesucht! Bedeutet das etwa, du hast ihr gesagt, dass ich nachts ausgehe?«
»Wie sollte sie sich mit dir in Verbindung setzen?«, fragte Katsa.
»Ich habe dir doch gesagt, dass ich ihr vertraue«, sagte Bo zu Bitterblue.
»Dann vertrau ihr deine Geheimnisse an, nicht meine ! Bo! Sag mir, dass sie es nicht weiß!«
»Bo.« Katsas Tonfall war so seltsam, dass sowohl Bo als auch Bitterblue innehielten und sich zu ihr umwandten. Sie war fast bis an die Tür zurückgewichen und hatte die nackten Arme um ihr Lakenkleid geschlungen, als wäre ihr kalt. »Bo«, sagte sie erneut, »wie sollte Hava sich mit dir in Verbindung setzen? Sollte sie an unsere Tür klopfen?«
»Was meinst du?«, fragte er; dann schluckte er und rieb sich mit unbehaglicher Miene den Nacken.
»Wie hast du ihr erklärt, dass du wusstest, dass sie ein Mensch war und keine Skulptur?«, fragte Katsa.
»Du ziehst voreilige Schlüsse«, sagte Bo.
Katsa sah Bo mit einem Gesichtsausdruck an, den Bitterblue nicht oft an ihr sah, als hätte ihr jemand in den Magen geboxt. »Bo«, flüsterte Katsa. »Sie ist eine völlig Fremde. Wir wissen nicht das Geringste über sie.«
Mit in die Hüfte gestemmten Händen und hängendem Kopf atmete Bo aus. »Ich brauche deine Erlaubnis nicht«, sagte er eher hilflos.
»Aber du bist leichtsinnig, Bo. Und unaufrichtig! Du hast versprochen, dass du es mir sagen würdest, wenn du beschließt, es jemand Neuem
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