Die Königliche (German Edition)
fühlen?
Es war ihr beinahe unmöglich, sich eine solche Situation vorzustellen. Es war geradezu absurd. Aber dann überlegte sie, ob ihre Unfähigkeit, es sich auch nur vorzustellen, etwas damit zu tun hatte, dass sie zu hoch oben stand, um so weit nach unten zu blicken, wie Saf gesagt hatte.
Aus irgendeinem Grund kehrten ihre Gedanken immer wieder zu der Nacht zurück, als Saf und sie am Silberhafen vorbeigelaufen waren. Sie hatten über Piraten und Schatzsuche gesprochen und sie waren an den hoch aufragenden Schiffen der Königin vorbeigekommen. Die Schiffe waren von den Soldaten der Königin gesäumt gewesen, die das Silber bewachten, das für ihre Schatzkammer bestimmt war, ihre eigene Goldfestung.
Als Bo etwas später das Schlafzimmer betrat, sogar noch nasser als vorher und mit schlammverschmierter Kleidung, saß Bitterblue auf dem Boden, den Kopf in den Händen vergraben.
»Bo«, flüsterte sie und blickte zu ihm auf, »ich bin sehr wohlhabend, oder?«
Bo ging zu ihr und kniete sich tropfend hin. »Giddon ist wohlhabend«, sagte er, »ich bin ausgesprochen wohlhabend und Raffin ist noch wohlhabender. Für das, was du bist, gibt es gar keinen Ausdruck, Bitterblue. Und das Geld, das du zur Verfügung hast, ist nur ein Bruchteil deiner Macht.«
Sie schluckte. »Ich glaube, dass ich das vorher gar nicht richtig zu schätzen wusste.«
»Ja«, sagte Bo. »Nun, so ist das mit dem Geld. Es ist einer der Vorteile des Reichtums, nie darüber nachdenken zu müssen, und gleichzeitig auch das Gefährliche daran.« Er setzte sich. »Was ist los?«
»Ich weiß es nicht genau«, flüsterte Bitterblue.
Er saß still da, ohne sie zu bedrängen.
»Du hast die Krone offenbar nicht dabei«, fügte sie hinzu.
»Die Krone ist nicht in der Druckerei«, erwiderte er. »Saf hat sie an die Untergebenen eines Schwarzmarkthändlers weitergereicht, der sich Spook nennt und angeblich in einem Höhlenversteck lebt, wenn ich seine Gedanken richtig verstanden habe.«
»Meine Krone ist bereits auf dem Schwarzmarkt?«, rief Bitterblue. »Aber wie sollen wir ihn so je entlasten?«
»Ich habe das Gefühl, dass Spook die Krone nur aufbewahren soll, Biber. Vielleicht können wir sie immer noch zurückbekommen. Verzweifle nicht. Ich bleibe an Saf dran, ich werde ihn mit einer Einladung zu einem Ratstreffen locken oder so. Weißt du, als ich gehen wollte, ging er vor mir auf die Knie, küsste mir die Hand und wünschte mir schöne Träume. Und das, nachdem ich ihn des Diebstahls an der Königin bezichtigt hatte.«
»Wie schön für dich, dass er nur den Adel von Monsea hasst«, sagte sie bitter.
»Er würde auch mich hassen, wenn ich ihm das Herz gebrochen hätte«, sagte Bo leise.
Bitterblue hob ihr Gesicht und sah ihn an. »Habe ich ihm das Herz gebrochen, Bo? Soll ich das glauben?«
»Das ist etwas, das du ihn fragen musst, Liebes.«
Da fiel ihr auf, dass Bo zitterte. Mehr noch: Als sie ihn genauer musterte, sah sie etwas Wirres und Gequältes in seinen Augen aufblitzen. Sie streckte die Hand aus und berührte sein Gesicht. »Bo!«, sagte sie. »Du glühst ja! Geht es dir gut?«
»Ehrlich gesagt habe ich das Gefühl, als wäre mein Inneres aus Blei«, sagte er. »Glaubst du, ich habe Fieber? Das würde erklären, warum ich gestürzt bin.«
»Du bist gestürzt?«
»Meine Gabe neigt dazu, Dinge zu verzerren, wenn ich Fieber habe, weißt du? Ohne Augenlicht ist das ziemlich verwirrend.« Er fasste sich an den Kopf. »Ich glaube, ich bin sogar mehrmals gestürzt.«
»Du bist krank«, sagte Bitterblue besorgt und stand auf, »und ich habe dich zweimal in den Regen hinausgeschickt und dafür gesorgt, dass du gestürzt bist. Komm. Ich bringe dich in deine Räume.«
»Helda versucht herauszufinden, ob die Tatsache, dass ich blind bin, irgendwie den ihrer Meinung nach perversen Zustand erklärt, dass Katsa und ich keine Kinder haben«, sagte er übergangslos.
»Was? Wovon redest du da? Das ergibt überhaupt keinen Sinn. Steh auf.«
»Ich kann es manchmal wirklich nicht ertragen, die Gedanken anderer Leute zu hören«, sagte er etwas unvermittelt und blieb sitzen. »Menschen sind lächerlich. Übrigens lügt Saf nicht, was seine Gabe angeht; er weiß wirklich nicht, was es ist.«
Er hat mir so oft gesagt, dass er mich nie anlügt. Wahrscheinlich wollte ich es einfach nicht glauben. »Bo.« Bitterblue griff nach Bos Hand und zog, lehnte sich zurück, zerrte weiter und brachte ihn schließlich dazu, aufzustehen. »Ich begleite dich
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