Die Königliche (German Edition)
hat.«
Helda setzte sich auf dem Stuhl zurecht und sagte erneut trocken: »Verstehe.«
»Ich bin blind«, sagte Bo zu Helda, vielleicht ein bisschen aus heiterem Himmel, und fuhr sich mit der Hand durch die nassen Haare. »Ich glaube, den Rest haben Sie sich bereits zusammengereimt, aber wenn Sie die ganze Wahrheit wissen wollen, sollte ich Ihnen sagen, dass ich vor acht Jahren mein Augenlicht verloren habe.«
Helda klappte den Mund auf; dann wieder zu.
»Ich spüre Dinge«, fuhr Bo fort. »Nicht nur Gedanken, sondern auch Gegenstände, Körper, Kraft, Bewegung, die Welt um mich herum, deshalb ist meine Blindheit die meiste Zeit über nicht so eine Einschränkung, wie sie es sonst wäre. Aber das ist der Grund, weshalb ich nicht lesen kann. Ich kann keine Farben sehen; die Welt besteht aus grauen Umrissen. Die Sonne und der Mond sind zu weit weg, als dass ich sie spüren könnte, und ich kann kein Licht sehen.«
Helda, die immer noch den Mund auf- und zuklappte, holte ein Taschentuch aus der Tasche und reichte es Bitterblue. Kurz danach zog sie ein weiteres hervor und machte sich daran, es sorgfältig zusammenzufalten, als wäre es die wichtigste Aufgabe des Tages, dass es Eck auf Eck lag.
Als sie es an die Lippen presste und sich dann die Augen damit abtupfte, ließ Bo den Kopf sinken. »Was die Krone angeht«, sagte er und räusperte sich, »sie waren ostwärts unterwegs, vielleicht in Richtung Silberhafen, bevor ich sie verloren habe.«
»Warst du bei der Druckerei?«
»Ich weiß nicht, wo sie ist, Bitterblue. Niemand hat mir gegenüber an ihre Lage gedacht. Wenn du es jetzt tust, gehe ich hin.«
»Nein«, sagte sie. »Ich gehe.«
»Davon rate ich ab.«
»Ich muss.«
»Bitterblue«, sagte Bo, der langsam die Geduld verlor. »Ich habe dir schon beim ersten Mal davon abgeraten, dich mit ihm zu treffen, und er hat die Krone gestohlen. Was, glaubst du, tut er beim zweiten Mal?«
»Aber wenn ich weiter versuche …«
»Während ich draußen stehe, bereit, hineinzustürzen, um dich zu decken, wenn er, ich weiß nicht, auf die Idee kommt, dich auf die Straße zu zerren, und anfängt zu schreien, dass der Junge mit der Kapuze in Wirklichkeit die Königin von Monsea ist? Dazu habe ich keine Zeit, Bitterblue, und ich habe auch nicht mehr die Energie, deine Verwicklungen auszubügeln!«
Mit weißen Lippen erhob sich Bitterblue. »Soll ich dann auch aufhören, deine Verwicklungen auszubügeln, Bo? Wie oft lüge ich für dich? Wie oft hast du mich in den ersten Jahren unserer Bekanntschaft belogen? Du, den man nicht belügen kann. Wie furchtbar, wenn deine Seelenruhe durcheinandergerät, weil du für andere lügen sollst.«
»Manchmal«, sagte Bo voller Bitterkeit, »bist du absolut mitleidslos.«
»Ich würde sagen, du hast genug Mitleid mit dir selbst«, entgegnete Bitterblue. »Gerade du solltest verstehen, wie sehr ich Safs Vergebung brauche. Was ich ihm angetan habe, tust du allen dauernd an. Hilf mir oder lass es bleiben, in Ordnung. Aber sprich nicht mit mir, als wäre ich ein kleines Kind, das herumstolpert und gedankenlos für Unordnung sorgt. Es gibt Dinge in meiner Stadt und meinem Königreich, von denen du nichts weißt.« Dann setzte sie sich wieder, plötzlich kläglich und unsicher. »Ach, Bo.« Sie barg das Gesicht in den Händen. »Es tut mir leid. Bitte gib mir einen Rat. Was soll ich ihm sagen? Was sagst du , wenn du jemanden mit einer Lüge verletzt hast?«
Bo schwieg einen Moment. Dann schien es ihr fast, als lachte er traurig. »Ich bitte um Entschuldigung.«
»Ja, das habe ich schon getan«, sagte Bitterblue, während sie in Gedanken ihr schreckliches Gespräch mit Saf durchging. Dann ging sie es noch mal durch. »Oh.« Sie sah Bo bestürzt an. »Ich habe nicht ein einziges Mal gesagt, dass es mir leidtut.«
»Das musst du tun«, sagte Bo jetzt sanft. »Außerdem musst du ihm so viel von der Wahrheit sagen wie möglich. Du musst mit allen Mitteln sicherstellen, dass er es nicht gegen dich verwendet. Und dann musst du ihn so wütend sein lassen, wie er will. So mache ich es.«
Also muss ich mich meinen eigenen Schuldgefühlen und dem Hass eines Menschen ausliefern, den ich lieb gewonnen habe.
Bitterblue betrachtete ihre zerfetzte Nagelhaut. Sie begann plötzlich, Bos Krise deutlich besser zu verstehen. Sie lehnte sich an ihn und legte den Kopf an seine Schulter. Er schlang einen nassen Arm um sie und drückte sie.
»Helda«, fragte Bitterblue, »wie lange können wir deiner Meinung
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