Die Königliche (German Edition)
du zulassen würdest, dass ich dich berühre.«
Einen Moment lang schwieg er. Schließlich sagte er mit einer ruhigen Bitterkeit: »Es reicht nicht. Es reicht nicht, dass du dich von mir angezogen fühlst; such dir jemand anderen, von dem du dich angezogen fühlen kannst.«
»Saf«, rief sie, »das ist nicht alles, was ich fühle. Hör doch zu, was ich dir sage. Wir sind Freunde.«
»Und? Was heißt das?«, sagte er grob. »Wie stellst du dir das vor? Dass ich hier im Schloss hocke, als dein spezieller Freund aus dem Volk, und mich zu Tode langweile? Willst du einen Prinzen aus mir machen? Glaubst du, ich will irgendetwas mit dem hier zu tun haben? Was ich will, ist das, was ich zu haben glaubte«, sagte er. »Ich wollte den Menschen, der du nicht warst.«
»Saf«, flüsterte sie mit Tränen in den Augen. »Es tut mir so leid, dass ich dich belogen habe. Ich wünschte, ich könnte dir genauso viele wahre Dinge erzählen. Am Tag, als du meine Krone gestohlen hast, habe ich chiffrierte Texte entdeckt, die meine Mutter geschrieben und vor meinem Vater versteckt hat. Es ist nicht leicht, sie zu lesen. Wenn du je beschließt, mir zu verzeihen, und etwas über meine echte Mutter hören willst, werde ich es dir erzählen.«
Er betrachtete sie einen Moment, dann blickte er mit zusammengepressten Lippen zu Boden. Er hob den Ärmel seines Mantels an die Augen und die Vorstellung, dass er vielleicht weinte, verblüffte Bitterblue; verblüffte sie so sehr, dass sie noch etwas sagte.
»Ich würde nicht wieder hergeben, was wir getan haben«, sagte sie. »Ich würde es nur hergeben, um meine Mutter wieder zum Leben zu erwecken. Ich würde es hergeben, um mein Königreich besser und aus mir eine bessere Königin zu machen. Vielleicht würde ich es sogar hergeben, um dir weniger Schmerz verursacht zu haben. Aber du hast mir etwas geschenkt, was dir gar nicht bewusst ist. Ich habe so etwas noch nie getan, Saf, mit niemandem. Jetzt erkenne ich, dass mir im Leben Dinge offenstehen, die ich nie für möglich gehalten hätte, bevor ich dich kannte. Das würde ich nicht wieder hergeben, genauso wenig wie die Tatsache, dass ich Königin bin. Noch nicht mal, damit du aufhörst, mich zu bestrafen.«
Saf stand mit fest verschränkten Armen und gesenktem Kopf da. Er erinnerte sie an eine von Bellamews einsamen Skulpturen.
»Sagst du was?«, flüsterte sie.
Es kam keine Antwort. Weder eine Bewegung noch ein Geräusch.
Bitterblue drehte sich um und schlich die Stufen hinab.
An diesem Abend aßen Raffin, Bann und Bo mit ihr und Helda zu Abend. Bitterblue fand, dass sie für eine Gruppe wieder vereinter Freunde merkwürdig bedrückt waren, und fragte sich, ob sich die Sorge um Katsa auf alle übertrug. Wenn ja, trugen die Sorgen der anderen nicht dazu bei, ihre eigenen Sorgen zu besänftigen.
»Das war klug, keine Aufmerksamkeit auf deine Verbindung mit Saf zu lenken«, sagte Bo ironisch.
»Niemand hat uns gesehen«, erwiderte Bitterblue, während sie geduldig darauf wartete, dass Bann ihr Schweinekotelett in Stücke schnitt. Sie dehnte sanft die Muskeln ihrer verletzten Schulter im Versuch, etwas von dem Schmerz eines langen Tages zu vertreiben. »Und überhaupt, für wen hältst du dich eigentlich, in meinem Schloss Aufträge zu erteilen?«
»Saf ist eine Nervensäge, Biber«, sagte Bo, »aber eine nützliche Nervensäge. Sollte irgendwas mit der Krone passieren, ist es in unser aller Interesse, wenn wir ihn erreichen können. Und wer weiß? Vielleicht hört er irgendwo etwas, das für uns interessant sein könnte. Ich habe Giddon gebeten, während meiner Abwesenheit ein Auge auf ihn zu haben.«
»Ich kann auch helfen, falls Giddon noch ein paar Tage braucht«, sagte Bann.
»Danke, Bann«, erwiderte Bo.
Bitterblue schwieg. Sie hatte diesen Wortwechsel nicht verstanden, aber ihre Gedanken blieben an einer anderen Frage hängen. »Wie viel von meinem Verhältnis zu Saf hast du Giddon erzählt, Bo?«
Bo klappte den Mund auf und dann wieder zu. »Ich weiß selbst nicht besonders viel über euer Verhältnis, Bitterblue, und ich habe mir Mühe gegeben, keinen von euch danach zu fragen. Wenn Giddon beobachtet«, Bo hielt inne, um mit der Gabel ein paar Karotten auf seinem Teller hin- und herzuschieben, »wie Saf dich in irgendeiner Form respektlos behandelt, soll er ihm eine Tracht Prügel verpassen.«
»Das würde Saf wahrscheinlich gefallen.«
Bo machte ein wütendes Geräusch. »Ich gehe morgen in die Oststadt«, sagte er. »Ich
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