Die Königliche (German Edition)
hinter der Tür zum Hauptquartier der Monsea-Wache kaute nervös an den Nägeln, als Bitterblue eintrat. Bei ihrem Anblick ließ er hastig die Hand sinken und stand auf, wobei er einen Becher umstieß.
»Wo ist Hauptmann Smit?«, wollte Bitterblue wissen, während überall Apfelmost herunterlief.
»Er musste weg, um irgendwelche verbrecherischen Machenschaften bei den Silberminen im Süden zu untersuchen, Königin«, sagte der Soldat und warf einen nervösen Seitenblick auf die Schweinerei. »Irgendwas mit Piraten.«
»Sind Sie sicher?«
»Natürlich, Königin.«
»Und wann kommt er wieder?«
»Schwer zu sagen, Königin«, sagte der Soldat und richtete sich auf, um sie direkt anzusehen. »Solche Dinge können sich hinziehen.«
Er klang etwas zu munter, als probte er die Zeilen eines Theaterstücks. Bitterblue glaubte ihm nicht.
Aber als sie ins untere Schreibzimmer hinaufstieg und Darby und Rood ihre Sorgen schilderte, teilten sie ihre Beunruhigung nicht.
»Königin«, sagte Rood sanft, »der Hauptmann der gesamten Monsea-Wache wird natürlich an vielen Orten gebraucht. Wenn Sie seinen Aufgabenbereich teilen wollen, damit er immer am Hof sein kann, können wir gerne darüber sprechen. Aber ich glaube nicht, dass es einen Grund gibt, an seinem Aufenthaltsort zu zweifeln. Und die Wache sucht in der Zwischenzeit sicher weiter nach Runnemood.«
Bitterblue stieg in ihren Turm hinauf, ging an den Bergen von Papier auf ihrem Schreibtisch vorbei, trat an ein Fenster, das nach Süden blickte, und schaute über die Schlossdächer hinweg. So viel Glas, wohin man auch sah, in dem sich die schnell vorbeiziehenden Wolken spiegelten. Es verunsicherte sie, so wie sie alles verunsicherte; und der Oktober war bald vorbei, aber der Arbeitsrhythmus hatte sich nicht verlangsamt. Sie konnte nicht dauernd zwischen Sorge, Missmut, zu viel Arbeit und Langeweile schwanken.
Sie nahm sich jetzt manchmal Arbeit mit in die unteren Schreibzimmer, stieg mit einem Arm voller Dokumente die Treppe hinunter und saß dort an einem Tisch, um sich in Gesellschaft zu Tode zu langweilen anstatt allein. Es wurde nie viel geredet – das, was in diesen Räumen gesprochen wurde, beschränkte sich normalerweise auf Dinge, die mit der Arbeit zu tun hatten – und doch hatte sie das Gefühl, wenn sie bei ihren Schreibern saß, achteten diese mit der Zeit etwas weniger streng auf ihre Haltung und ihren Gesichtsausdruck. Sie wurden weicher und verwandelten sich in Leute, die sie gelegentlich ansahen, ein, zwei Worte sagten, und deren Gesellschaft angenehm und menschlich war. Froggatt hatte sie sogar mal angelächelt; er hatte vor kurzem geheiratet und schien öfter zu lächeln als die anderen.
Darby platzte zur Tür herein. »Post von Prinz Bo, Königin«, sagte er und reichte ihr eine verschlüsselte Nachricht, diesmal in Bos eigener Handschrift.
Raffin und Bann zurück aus Sunder. Raff und ich gehen übermorgen durch Tunnel nordwärts nach Estill. Bann und Giddon bleiben hier. Katsa jetzt fünf Wochen weg, mache mir Sorgen. Wenn sie zurückkommt, während wir weg sind, schickst Du Nachricht?
Habe was getan, das Dich ärgern wird. Saf zu Ratstreffen gestern eingeladen. Habe ihn auf einen Impuls hin beauftragt, Schlossfenster für Winter abzudichten. Will ihn aus mehreren Gründen in der Nähe haben. Sei nicht überrascht, wenn Du ihn an den Wänden im großen Schlosshof hängen siehst, und zieh auf gar keinen Fall irgendwelche Aufmerksamkeit auf Eure Verbindung.
Bitterblue verbrannte die Nachricht in ihrem kleinen Kamin. Dann gab sie ihren Plan zu arbeiten auf und machte sich auf den Weg hinunter in den Hof.
Es war nicht angenehm, zwischen den Sträuchern zu stehen, den Kopf in den Nacken zu legen und zu sehen, wie Leute in Puppengröße an den Wänden zum Hof hingen. Na gut, sie hingen nicht – die Leute selbst saßen. Aber die lange Plattform, auf der sie saßen, hing an Seilen und schwankte ziemlich stark für etwas, das sich so weit oben befand, und wackelte, wenn Saf aufstand und sorglos von einem Ende zum anderen ging.
Saf arbeitete da oben mit Fox zusammen, was Bitterblue aus zwei Gründen vorteilhaft erschien. Erstens würde Fox in ihrer Funktion als Spionin Helda alles Interessante berichten, was Saf ihr erzählte. Zweitens würde Fox es vermutlich nicht herumerzählen, wenn sie beobachtete, wie die Königin Saf beiseitenahm, um mit ihm zu reden.
Die Fenster, die sie abdichteten, lagen auf der Südseite des Schlosshofs. Bitterblue
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