Die Königliche (German Edition)
Ihre eigene Sicherheit sei das Letzte, was eine Rolle spielt. Das kann einen in den Wahnsinn treiben.« Sie steckte die Hand in die Tasche und warf ein kleines Päckchen auf Bitterblues Bett. »Ich habe von Anfang an gewusst, dass Sie sich nachts rausschleichen, Königin. In den beiden Nächten, in denen Sie nicht nach Hause gekommen sind, habe ich kein Auge zugetan. Vielleicht denken Sie das nächste Mal daran, wenn Sie in Erwägung ziehen, in einem anderen Bett als Ihrem eigenen zu schlafen. Ich weiß, unter welchem Druck Sie stehen – und das gilt auch für Sie, Mylady«, fügte sie, an Katsa gewandt, hinzu. »Ich gebe zu, dass Ihre Verantwortung mit nichts, was ich kenne, zu vergleichen ist, und wenn es hart auf hart kommt, müssen an Sie andere Maßstäbe angelegt werden als an andere Menschen. Aber das bedeutet nicht, dass es angenehm ist, belogen und wie eine Närrin behandelt zu werden. Sagen Sie Ihrem jungen Mann das«, schloss sie und reckte ihr Kinn ein Stück, um Katsa fest in die Augen zu sehen. Dann marschierte sie aus dem Zimmer.
Ein langes Schweigen folgte.
»Sie ist ziemlich gut darin, Geheimnisse zu bewahren, findest du nicht?«, sagte Bitterblue teils beschämt, teils erschrocken.
»Sie ist deine oberste Spionin«, entgegnete Katsa und ließ sich ausgestreckt mit dem Rücken aufs Bett fallen. »Ich komme mir so schlecht vor.«
»Ich auch.«
»Wie hat sie das mit Bo wohl gemeint? Er hat nichts davon gesagt, dass sie Bescheid weiß. Stimmt das mit den Morden in deiner Stadt, Bitterblue? Wenn ja, möchte ich nicht hier weg.«
»Es stimmt«, sagte Bitterblue leise, »und ich möchte auch nicht, dass du gehst, aber ich glaube, du gehörst im Moment nach Estill, oder?«
»Bitterblue, komm mal her.«
Katsa setzte sich auf, fasste Bitterblue am Arm und zog sie neben sich aufs Bett. Sie saßen sich gegenüber und Katsa hielt Bitterblues Hand. Katsas Hände waren stark, lebendig und glühten wie ein Ofen.
»Wo gehst du nachts hin?«, fragte Katsa.
Und schon war der Zauber gebrochen. Bitterblue zog ihre Hand weg. »Die Frage ist unfair.«
»Dann beantworte sie nicht«, sagte Katsa überrascht. »Ich bin nicht Bo.«
Aber ich kann dich nicht belügen , dachte Bitterblue. Wenn du mich um etwas bittest, gebe ich es dir . »Ich gehe in die Oststadt«, sagte sie, »um Freunde zu besuchen.«
»Was für Freunde?«
»Einen Drucker und einen Seemann, der für ihn arbeitet.«
»Ist es gefährlich?«
»Ja«, sagte sie, »manchmal. Es geht dich nichts an und es ist nichts, womit ich nicht fertigwerde, also frag nicht weiter.«
Katsa saß einen Moment da und sah stirnrunzelnd in die Ferne. Dann sagte sie leise: »Dieser Drucker und der Seemann, Bitterblue. Hast du …« Sie hielt inne. »Hast du an einen von ihnen dein Herz verloren?«
»Nein«, entgegnete Bitterblue perplex und atemlos. »Hör auf, mir Fragen zu stellen.«
»Brauchst du mich? Gibt es etwas, das du mich für dich tun lässt?«
Nein. Geh weg.
Ja. Bleib bei mir, bleib hier, bis ich eingeschlafen bin. Sag mir, dass ich in Sicherheit bin und meine Welt einen Sinn ergibt. Sag mir, was ich mit dem Gefühl anfangen soll, das ich habe, wenn Saf mich berührt. Sag mir, was es bedeutet, sein Herz an jemanden zu verlieren.
Katsa drehte sich zu ihr um, strich ihr die Haare aus dem Gesicht, küsste sie auf die Stirn und drückte ihr etwas in die Hand. »Das ist etwas, was du vielleicht weder willst noch brauchst«, sagte sie. »Aber mir ist es lieber, dass du es hast und nicht willst, als dass du es willst und nicht hast.«
Dann ging Katsa und schloss die Tür hinter sich. Auf dem Weg zu wer weiß was für einem Abenteuer. In ihr Bett wahrscheinlich, mit Bo, wo sie sich ineinander verlieren würden.
Bitterblue musterte den Gegenstand in ihrer Hand. Es war ein Heilmitteltütchen mit einem deutlich beschrifteten Etikett: »Seenagel zur Schwangerschaftsverhütung«.
Benommen las sie die Gebrauchsanweisung. Dann legte sie den Seenagel zur Seite und versuchte vergeblich herauszufinden, wie sie sich fühlte. Ihr fiel das Päckchen ein, das Helda auf die Decke geworfen hatte, und sie griff danach. Es war ein Stoffsäckchen, das ein weiteres Heilmitteltütchen mit ebenso deutlichem Etikett enthüllte.
Sie lachte, ohne genau zu wissen, was so lustig an einem Mädchen mit verwirrtem Herzen war, das genug Seenagel für den Rest ihrer fruchtbaren Jahre hatte.
So erschöpft, dass ihr beinahe schwindelig war, streckte sie sich auf der Seite aus und
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