Die Königliche (German Edition)
müsse das am Arm tragen, aber ich habe das Gefühl, die Gefahr ist dann noch größer. Was, wenn es herausfällt und mich aufspießt? Was, wenn es von allein aus meinem Ärmel fliegt und in jemand anderem stecken bleibt? Ich bin mehr als zufrieden damit, Leute zu vergiften«, murmelte Raffin, schob den Ärmel hoch und steckte das Messer in die Scheide. »Gift ist etwas Zivilisiertes und Kontrolliertes. Warum müssen immer Messer und Blut im Spiel sein?«
»Es fliegt nicht von allein aus Ihrem Ärmel, Raffin«, sagte Bitterblue besänftigend. »Das verspreche ich Ihnen. Nach Sunder?«
»Nur kurz, Königin. Bo wird hier bei Ihnen bleiben.«
»Ich dachte, Bo und Giddon wollen durch den Tunnel nach Estill reisen.«
Raffin räusperte sich. »Giddon wünscht Bos Gesellschaft im Moment nicht, Königin«, sagte er vorsichtig. »Giddon reist allein.«
»Verstehe«, sagte Bitterblue. »Und wo gehen Sie hin, wenn Sie aus Sunder zurückkommen? Nicht zurück nach Hause?«
»Das ist keine Option. Mein Vater hat verkündet, dass Mitglieder des Rats im Moment in den Middluns nicht willkommen sind.«
»Was?«, fragte Bitterblue. »Noch nicht mal sein eigener Sohn?«
»Ach, das ist alles nur politisches Theater, Königin. Ich kenne meinen Vater – leider. Er versucht, die Könige von Estill, Sunder und Wester zu beruhigen, weil die ihn jetzt noch weniger leiden können als vorher, wo Nander durch eine Organisation gefallen ist, der wahrscheinlich Katsa und ich angehören. Ich glaube nicht, dass er irgendeinen von uns aus den Middluns fernhalten kann, ohne mehr Aufmerksamkeit zu erregen, als ihm lieb wäre. Aber im Moment macht uns das nichts aus, deshalb protestieren wir nicht. Giddon wird am meisten darunter leiden, wenn es länger anhält. Er ist nie gerne allzu lange Zeit fort von seinem Landsitz. Muss sich das wirklich so anfühlen?«, fragte Raffin und schüttelte seinen Unterarm.
»Als hätten Sie eine Klinge auf der Haut?«, fragte Bitterblue. »Ja. Und wenn jemand Sie angreift, müssen Sie es benutzen, Raffin. Vorausgesetzt natürlich, es bleibt nicht genug Zeit, um denjenigen zu vergiften«, fügte sie trocken hinzu.
»Ich hab das schon gemacht«, sagte Raffin düster. »Es ist einfach eine Sache der Informationen. Wenn ich weiß, dass ein Angriff geplant ist, kann ich ihn genauso gut vereiteln wie alle andern. Und normalerweise muss dabei nicht mal jemand sterben.« Dann seufzte er. »Wie ist es nur so weit gekommen, Königin?«
»War es je anders?«
»Friedlich, meinen Sie, und sicher?«, fragte er. »Wahrscheinlich nicht. Und wahrscheinlich können wir uns dann auch genauso gut mitten in die Gewalt stürzen und versuchen, Einfluss auf den Ausgang der Sache zu nehmen.«
Bitterblue betrachtete diesen Prinzen, den Sohn eines brutalen Königs, den Cousin eines Kugelblitzes namens Katsa. »Werden Sie gerne König sein, Raffin?«
Seine Antwort lag in der Resignation, die sich auf seinem Gesicht abzeichnete. »Spielt das eine Rolle?«, fragte er leise. Dann fügte er achselzuckend hinzu: »Ich werde weniger Zeit für Chaos haben. Und leider auch weniger Zeit für meine Arzneien. Und ich werde heiraten müssen, weil ein König Erben hervorbringen muss.« Mit einem Blick in ihr Gesicht sagte er mit einem kleinen Lächeln: »Wissen Sie, ich würde Sie ja fragen, ob Sie mich heiraten wollen, allerdings würde ich eine solche Frage nur in Banns Anwesenheit stellen. Abgesehen davon würde ich Ihnen nicht ernsthaft ein solch unangebrachtes Angebot machen. Es würde eine ganze Menge meiner Probleme lösen und Ihnen welche verursachen, stimmt’s?«
Sie konnte sich ein Lächeln nicht verkneifen. »Ich muss gestehen, dass das nicht gerade verlockende Zukunftsaussichten wären«, sagte sie. »Andererseits ist es auch nicht weniger romantisch als jeder andere Antrag, der mir bisher gemacht wurde. Fragen Sie mich in fünf Jahren noch mal. Vielleicht brauche ich dann gerade etwas Kompliziertes und Seltsames, das einen guten Eindruck auf den Rest der Welt macht.«
Raffin übte kichernd seinen Arm zu strecken, ihn zu beugen, ihn dann wieder zu strecken. »Was, wenn ich aus Versehen Bann ersteche?«, fragte er mürrisch.
»Machen Sie einfach die Augen auf und schauen Sie, wo Sie hinstechen«, sagte Bitterblue fröhlich.
Als Bitterblue in dieser Nacht durch die Oststadt rannte, wusste sie nicht genau, wo sie hinlief. Die ganzen Wahrheitssucher und Wahrheitsmörder in ihrem Kopf machten sie wachsam, sie traute keinem Passanten,
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