Die Königliche (German Edition)
körperlich schützen könnte, wie ein Schlag oder schlechtes Wetter. Was natürlich nicht der Fall war.
Bitterblue streckte die Beine aus und strich langsam und schweigend ihre Hosenbeine glatt, um ihm die Verlegenheit zu ersparen, beobachtet zu werden. Sie sagte einfach: »Ich weiß.«
Er nickte einmal. »Ich habe ihm zu so vielem Zugang gewährt. Vor allem in den ersten Jahren, als ich noch keinen Verdacht hegte und nie daran dachte, mit meinen Gedanken vorsichtig zu sein – und ihn außerdem hasste. Er wusste bis ins kleinste Detail über den Ärger Bescheid, den ich gegen ihn hegte; er kannte jeden meiner eifersüchtigen Gedanken. Und jetzt fällt mir alles wieder ein, jede einzelne Boshaftigkeit, und es ist eine doppelte Demütigung, weil nicht nur ich das alles noch mal durchlebe, sondern er auch.«
Ja. Das war wirklich das Schlimmste, das Ungerechteste und Demütigendste an Gedankenlesern, vor allem an geheimen Gedankenlesern. Das war es auch, wovor Katsa solche Angst hatte: vor all dem Zorn und der Demütigung, die sich gegen Bo richten würden, wenn er anfing, überall die Wahrheit zu verbreiten.
»Katsa hat mir gesagt, dass sie genauso gedemütigt war, als Bo es ihr gesagt hat«, erklärte Bitterblue, »und wütend. Sie hat ihm gedroht, es allen zu sagen. Sie wollte ihn nie wieder sehen.«
»Ja«, sagte Giddon. »Und dann ist sie mit ihm weggelaufen.«
Er sagte diese Worte sanft, was Bitterblue interessant fand. Sie sinnierte einen Moment über seinen Tonfall und beschloss dann, das als Rechtfertigung zu nehmen, um etwas völlig Unangebrachtes zu fragen, worüber sie schon länger nachdachte. »Sind Sie in sie verliebt?«
Er warf ihr einen ungläubigen, wütenden braunen Blick zu. »Geht Sie das irgendetwas an?«
»Nein«, sagte sie. »Sind Sie in ihn verliebt?«
Giddon rieb sich voller Verwunderung die Stirn. »Königin, wie kommen Sie darauf?«
»Na ja, es passt doch, oder? Es würde die Spannungen zwischen Ihnen und Katsa erklären.«
»Ich hoffe, Sie haben das nicht auch vor den anderen aufgebracht. Wenn Sie neugierige Fragen haben, die mich betreffen, fragen Sie mich .«
»Das tue ich«, sagte Bitterblue.
»Ja«, sagte Giddon und zog dieses Wort mit bemerkenswert guter Laune in die Länge, »das tun Sie.«
»Hab ich nicht.«
»Königin?«
»Jemandem außer Ihnen diese Frage gestellt«, erklärte sie. »Und niemand hat mir gegenüber irgendetwas dazu gesagt. Und ich kann ein Geheimnis bewahren.«
»Aha«, sagte er. »Nun, es ist eigentlich kein großes Geheimnis und im Grunde macht es mir nichts aus, es Ihnen zu sagen.«
»Danke.«
»Oh, es ist mir ein Vergnügen. Bei Ihrem Feingefühl schüttet man gerne sein Herz aus, wissen Sie.«
Bitterblue grinste.
»Ich war früher … lange Zeit … ziemlich besessen von Katsa«, sagte er. »Damals habe ich ein paar hirnverbrannte Sachen gesagt, für die ich mich schäme und die mir Katsa nicht verzeiht. Inzwischen habe ich meine Besessenheit überwunden.«
»Wirklich?«
»Königin«, sagte er geduldig, »zu meinen weniger attraktiven Eigenschaften gehört ein gewisser Stolz. Das kommt mir zugute, wenn ich merke, dass eine Frau, die ich liebe, mir das, was ich will, niemals geben würde oder könnte.«
»Das, was Sie wollen?«, wiederholte Bitterblue bissig. »Ist es das, worum es geht: das, was Sie wollen? Was ist das?«
»Jemanden, der die Last meiner Gesellschaft ertragen kann, zum Beispiel. Ich fürchte, darauf bestehe ich.«
Bitterblue lachte laut auf. Er betrachtete sie lächelnd und seufzte dann. »Einige ungute Gefühle bleiben«, sagte er leise, »auch wenn das, was sie ursprünglich hervorgebracht hat, schon längst nicht mehr existiert. Ich wollte Bo, seit ich ihn zum ersten Mal gesehen habe, schlagen. Ich bin froh, dass es endlich erledigt ist. Jetzt wird mir klar, was für ein leerer Wunsch das war.«
»Oh, Giddon«, sagte Bitterblue und schwieg, weil sie das, was sie sagen wollte, nicht ausdrücken konnte. Die Liebe, die Bitterblue für Katsa und Bo empfand, war so groß wie die Erde. Aber sie wusste, was es bedeutete, außerhalb ihrer Liebe füreinander zu stehen.
»Ich brauche Ihre Hilfe«, sagte sie in dem Glauben, dass ihn Ablenkung vielleicht trösten könnte.
Er sah sie überrascht an: »Was gibt es, Königin?«
»Irgendjemand versucht Menschen umzubringen, die Lecks Verbrechen ans Licht bringen wollen«, sagte sie. »Wenn Sie bei Ihren Streifzügen irgendetwas darüber hören, lassen Sie es mich dann bitte
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