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Die Kolonie

Die Kolonie

Titel: Die Kolonie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ben Bova
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handelt.«
    Jetzt kommt der schwierige Teil, dachte der Adjutant.
»Sir, ich fürchte, daß ich Boweto und den anderen
zustimmen muß. Der Rat braucht eine Vollmacht zum Handeln,
selbst wenn Sie Ihr Amt nicht wahrnehmen können.«
    De Paolos Gesicht verzog sich schmerzlich. »Oder… wenn
ich tot bin«, keuchte er.
    Die Ärztin trat einen Schritt auf ihn zu. Der Äthiopier
konnte sich nicht mehr beherrschen. Seine Stimme versagte, und
Tränen verschleierten seinen Blick.
    »Du hast recht, mein Sohn, wie gewöhnlich«, sagte
De Paolo, während die Ärztin eine Impfpistole auf seinen
ausgemergelten Arm drückte. »Gib mir den Wisch!«
    Das Papier war auf einer Schreibunterlage befestigt. Der
Äthiopier zog den Kugelschreiber aus der Unterlage und
drückte ihn in De Paolos freie Hand. Der alte Herr setzte seine
zittrige Unterschrift unter das Dokument und ließ dann den Kopf
aufs Kissen sinken.
    »Es ist vollbracht«, flüsterte er und schloß
die Augen. Die Monitoranzeigen wurden zum Schwanengesang.
    Die Ärztin schob den Äthiopier vom Bett weg und rief in
die Sprechanlage, die in die Wand eingebaut war: »Das
Wiederbelebungsteam! Schnell!«
    Der Äthiopier wußte, daß es sinnlos war. Er
verließ den Raum, die Schreibunterlage mit dem unterzeichneten
Dokument unter dem Arm. In der kleinen Bibliothek neben dem
Schlafzimmer stieß er auf das Wiederbelebungsteam, das im
Laufschritt mit seinen Geräten angerollt kam.
    Der Adjutant betrat das Vorzimmer, wo Boweto und mehrere enge
Mitarbeiter des Präsidenten in der hellen Morgensonne
saßen.
    »Da«, sagte er und überreichte Boweto die
unterzeichnete Vollmacht.

    Eine der Frauen, in deren Gesicht sich der gleiche Schmerz
spiegelte, den der Äthiopier empfand, fragte: »Ist er…
hat er…«
    »Er ist tot«, sagte der Äthiopier. Er wandte sich
an Boweto, der sich bemühte, Mitgefühl zu zeigen und setzte
hinzu: »Der Rat muß einen neuen Präsidenten
wählen… und einen neuen Mitarbeiterstab für ihn
bestimmen.«
    Ohne ein weiteres Wort zu verlieren durchquerte er das Zimmer und
trat auf den Balkon hinaus. Hinter seinem Rücken schluchzte
jemand, und es war nicht die Frau allein. Fünfzig Stockwerke
tiefer begann die Stadt zu erwachen, ein neuer Tag begann.
    Wieder füllten sich seine Augen mit Tränen. Mit einem
letzten tiefen Atemzug aus der klaren, von süßem Duft des
Weines geschwängerten Luft Siziliens schwang der Adjutant ein
Bein über die Balkonbrüstung und ließ sich in die
Ewigkeit fallen.
     
    »Da kommen sie wieder.«
    Lacey war dem Lachen nahe. Im Holland-Tunnel begann es
allmählich zu stinken wie auf einer Müllhalde. Überall
lagen Leichen herum, hauptsächlich Blaßärsche. Die
ganze Nacht hatten die Burschen von Jersey versucht, sich den Weg
durch den Tunnel zu bahnen und wieder in Manhattan einzudringen. Doch
sie wurden einfach abgeschlachtet.
    Lacey und eine Handvoll Schwarze hielten das Ende des Tunnels am
Eingang in Manhattan. Sie hatten aus umgestürzten Autos und
Lastwagen eine Barrikade gebaut und sich mit ihren Maschinenpistolen
und automatischen Gewehren dahinter verschanzt.
    Die Weißen waren gruppenweise gegen sie angerückt,
meist Zivilisten und ein paar Mann von der Nationalgarde in ihren
grünen Uniformen und Helmen. Sie kamen in Wagen angefahren, und
einige Male versuchten sie, die Barrikade mit Lastwagen zu
durchbrechen. Doch ihr Vorhaben scheiterte, und die Barrikade wurde
nur noch größer, uneinnehmbarer und schwerer zu
durchbrechen.
    Lacey stand zwischen zwei umgestürzten Wagen und blickte
über die Schultern in die stille, mondhelle Nacht, die die
Straßen von Manhattan umhüllte. Er hatte ein paar Jungs
hinausgeschickt, die etwas Munition auftreiben sollten, um
gerüstet zu sein, falls die Blaßärsche nochmal einen
Angriff wagten.
    Seitdem war alles still. Nun aber schien es wieder loszugehen.
    »Da kommen sie wieder.«
    Lacey hörte das Rumpeln und Klicken langsam fahrender
Lastwagen, die sich durch den Tunnel näherten.
    Doch er überhörte das ferne, leise Flüstern von
Düsenbombern, die in großer Höhe heranflogen. Im
Mondlicht hinterließen ihre Kondensstreifen feine weiße
Spuren am wolkenlosen Nachthimmel.
    »Himmel, Arsch und Zwirn! Schau dir das an!«
    Die Weißen rückten in Keilformation mit großen
orangefarbenen Schneepflügen, Bulldozern und Baumaschinen heran,
einer hinter dem anderen. Lacey erblickte die ersten zwei, die so
groß waren, daß sie im Tunnel kaum nebeneinander Platz
hatten. Dahinter rückten

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