Die Kolonie
nimm die Lampe mit!« sagte David. »Leuchte
nach oben, damit wir beim Aufstieg keine unangenehmen
Überraschungen erleben!«
»Aber du…«
»Tu was ich dir sage!« meinte er und drückte ihr
die Taschenlampe in die Hand. »Ich komme gleich nach.«
Bahjat preßte die Lippen zusammen. Sie nahm die Lampe und
begann die Leiter zu erklimmen. David nahm die Waffe fest in eine
Hand. Dann packte er das glitschige Metall und begann hinter Bahjat
hinaufzusteigen.
Er blickte auf ein Meer von glitzernden roten Augen hinunter.
David ließ die Pistole in eine Tasche gleiten, kletterte mit
beiden Händen und hielt sich dicht hinter Bahjat.
Als sie den Einstiegdeckel am Kopf der Leiter erreicht hatten,
mußte er an ihr vorbeiturnen. Sie hielt die Lampe, während
er sich mit dem schweren Deckel abmühte, ihn schließlich
lüftete und aufs Straßenpflaster schob. Dann rückte
er ihn so weit weg, daß die Öffnung groß genug war,
um sich hindurchzuzwängen.
Die Nachtluft tat ihm gut. David atmete tief durch und merkte erst
jetzt, daß er von oben bis unten verdreckt war. Zwischen zwei
verfallenen, abgebrannten Lagerhäusern ohne Dach konnte er den
Hudson River sehen, der im Mondlicht träge dahinfloß,
ölig, verschmutzt und irgendwie drohend.
Da möchte ich nicht drin schwimmen, dachte er.
Sie bahnten sich ihren Weg durch den Schutt und Unrat, der sich
zwischen den Lagerhäusern türmte. In keinem der
Gebäude war auch nur eine einzige Fensterscheibe heil geblieben.
Das Glas lag am Boden zwischen Abfall, zerbrochenen Maschinenteilen,
Plastikabfällen, verfaulendem Holz und Knochen. David erblickte
einige Schatten von der Größe eines Terriers, die aus
einem dunklen Winkel zum anderen huschten. Ratten, noch mehr
Ratten!
Die Jersey Palisades am anderen Ufer waren dunkel. David schaute
zurück, um irgendein Lebenszeichen in den Docks zu entdecken.
Aber er sah nichts. Kein Licht, kein Geräusch, bis auf das
Wasser, das gegen die fauligen Piers plätscherte. Alles war
still. Die Nachtluft war klar, bis auf einen leichten Brandgeruch,
der aus der Innenstadt heranwehte.
»Sind das die Boote?« flüsterte Bahjat und streckte
die Hand aus.
David erblickte ein halbes Dutzend abgetakelte Boote, die etwa
hundert Meter weiter flußabwärts festgemacht waren. Die
meisten schienen auf Grund gesetzt worden zu sein, da nur die
Aufbauten und Masten über das Wasser ragten.
Aber dieses Boot da, am Ende des Piers…
»Komm!« sagte er und nahm Bahjat bei der Hand. Sie
liefen über das holperige Pflaster am Ufer und an
baufälligen Docks entlang.
Das Boot am Ende der Pier war ein alter Kabinenkreuzer, der auf
den Wellen schaukelte. David meinte, daß der schwere Klumpen,
der sich unter einer Persenning abzeichnete, ein Motor sein
dürfte.
Er sprang aufs Deck, dann drehte er sich um und streckte die Hand
aus, um Bahjat zu helfen, die leichtfüßig an Bord
kletterte. Das Boot schwankte an seinen Tauen.
»Kannst du so ein Boot fahren?« fragte Bahjat.
»Nein«, gab David zu. »Ich hätte nie
gedacht…«
Sie aber lächelte und meinte: »Nun gut. Ich kann
es.«
Sie führte ihn zum Cockpit und untersuchte das Armaturenbrett
hinter dem kleinen Steuer.
Plötzlich flog die Luke auf, die zur Kabine führte, und
der gewaltigste Riese stand vor ihnen, den David je gesehen hatte. Er
war hochgewachsen, ein Berg von einem Schwarzen mit Händen so
groß wie Schaufeln.
»Was zum Teufel habt ihr auf meinem Boot zu suchen?«
brüllte Leo.
Wir befanden uns im Trainingscenter, als die Kämpfe in
Houston ausbrachen. Von ursprünglich 60 Mann waren noch 11 in
unserer Klasse verblieben.
Das Trainingscenter – der alte Johnson-Komplex aus
vergangenen NASA-Tagen- war von den Guerillas nicht bedroht. Doch da
die Kämpfe jetzt in Houston und auch in Galveston aufflammten,
beschlossen unsere Vorgesetzten, uns so schnell wie möglich zur
Raumstation Alpha zu verlegen.
Sie ließen uns gar keine Wahl. Alles ging sehr
plötzlich und mit militärischer Präzision vor sich.
Wir elf wurden in Richtung eines wartenden Shuttle in Marsch gesetzt
und im Innern der Fähre verstaut. In Richtung Houston sahen wir
Rauch am Horizont.
Die Türen wurden verschlossen, und ab ging’s, bevor
wir’s uns versahen. Zumindest saß ich aber neben Ruth.
Alle fragten sich, was wohl passiert sei und ob jetzt der Kampf
richtig losginge.
- Das Tagebuch des William Palmquist
31. Kapitel
Emanuel De Paolos Schlafzimmer war in eine Intensivstation
für Herzkranke
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