Die Kolonie
den USA entscheiden müssen, auf welcher
Seite er steht. Aber sie werden alle auf unserer Seite sein,
verlassen Sie sich darauf. Sie haben keine andere Wahl.«
»Die amerikanische Armee besteht überwiegend aus
Farbigen, nicht wahr?« fragte Bahjat.
»Sicher. Was glauben Sie, wie die sich fühlen werden,
wenn man ihnen befiehlt, ganze Stadtviertel
auszulöschen?«
David spürte, wie es in seinem Kopf wirbelte. »Aber das
bedeutet nur Blut, Blut und nichts als Blut. Es muß doch einen
besseren Weg geben.«
»Der Baum der Freiheit muß von Zeit zu Zeit mit dem
Blut der Tyrannen und Patrioten begossen werden«, sagte Bahjat.
»Das hat kein Spinner, das hat Thomas Jefferson
gesagt.«
Und Leo setzte hinzu: »Er hat aber auch gesagt, daß
alle Menschen gleich sind – nicht nur die
Weißärsche.«
Doch David meinte: »Man kann keine bessere Welt aufbauen,
indem man die Welt zerstört, in der man lebt. Was haben Sie
anzubieten?«
Leo grunzte. »Wir werden uns den Kopf darüber
zerbrechen, sobald die Zeit gekommen ist.«
»Die Zeit ist gekommen«, beharrte David.
»He, guck mal!« rief einer der jungen Leute vom
Bootsheck aus. »Flugzeuge!«
Leo schob David und Bahjat beiseite, um unter dem Zeltdach
herauszukommen. Bahjat stand dicht hinter ihm. David wandte sich um
und lehnte sich über den Bootsrand, um freie Sicht zu haben.
Über den mondhellen Himmel zogen silbrige, flaumgleiche
Kondensstreifen. David zählte fünf Gruppen mit jeweils
einem Dutzend Flugzeugen: sechzig Maschinen.
»Wirf den Motor an!« brüllte Leo.
»Die tun uns nichts«, sagte einer von den Jungen.
»Die sind zu hoch.«
»Sie sind bestimmt nicht zum Spaß da«, murmelte
Leo. »Und was sie auch vorhaben, ist gegen die Stadt gerichtet.
– Macht endlich Dampf unter diesen Kahn!« schrie er.
Innerhalb von Minuten ging ein goldener Staubregen vom Himmel
herunter, doch das Boot fuhr so schnell – wobei sich der Bug aus
dem Wasser hob –, daß der Goldstaub ebenso schnell wieder
weggeblasen wurde, wie er runterkam. In wenigen Minuten hatte der
goldene Schneefall aufgehört. Leo befahl dem Mann am Steuer, die
Geschwindigkeit zu drosseln.
Als sie an der ausgestorbenen Stadt vorbeiglitten, sahen sie,
daß die Straßen mit Schwaden von graugrünem Gas
gefüllt waren. Leo suchte die Gegend gelassen mit einem
Feldstecher ab. Nach langen Minuten des Schweigens reichte er Bahjat
das Fernglas. Sie führte das Glas an die Augen und begann dann
zu keuchen.
David hörte, wie sie etwas auf Arabisch murmelte. »Was
ist los?« fragte er.
Sie gab ihm das Fernglas. Zunächst konnte David kaum etwas
erkennen, doch als er endlich das Glas im schaukelnden Boot
einigermaßen festhielt, konnte er menschliche Gestalten
zwischen den brodelnden Gaswolken ausmachen. Sie torkelten herum,
fielen hin und wanden sich in Krämpfen. Wo er auch hinschaute,
in den Straßen, in den Grünanlagen am Flußufer
nichts als Chaos. Die Leute, die sich auf den Dächern vor den
Guerillas in Sicherheit gebracht hatten, rauften sich, um dem Gas zu
entgehen, das sie zu spastischen, zitternden Epileptikern machte. Er
sah eine Gestalt, die sich vom Dach zwanzig Stockwerke
hinabstürzte und im Fallen jämmerlich schrie.
David gab Leo das Fernglas zurück.
Der Schwarze hob das Kinn und deutete himmelwärts. »Und
das sind die Burschen, die versuchen, den Weißärschen in
der Stadt zu helfen«, sagte er verächtlich. »Sie sind
bereit, ihre eigenen Leute umzubringen, nur um uns an die Gurgel zu
fahren. Wir sind also auch nicht so schlecht, wie wir
aussehen.«
Dies ist der merkwürdigste, verrückteste,
glücklichste Tag in meinem Leben!
Sobald wir im Versammlungsraum auf Raumstation Alpha
beieinander waren, sagte man uns, daß unsere Ausbildung
für Eiland Eins abgeschlossen sei und daß wir zur Kolonie
fahren würden, sobald ein Raumschiff einträfe, das uns
mitnehmen kann. Kein Unterricht mehr, keine Tests. Wir haben es
geschafft!
Man hat uns erlaubt, unsere Verwandten über Bildtelefon
anzurufen. Meinen Eltern geht es gut. In Minnesota hat es keine
Kämpfe gegeben – diesmal war uns das Wetter günstig.
Ruth konnte Kalifornien stundenlang nicht erreichen, bis dann die
Gesellschaft eine dringende Rufkette aufbaute. Ihren Eltern ging es
gut, aber ihr Haus war bis auf die Grundmauern niedergebrannt, und
sie lebten jetzt in irgend so einem Lager der Army.
Drei von meinen Mitschülern baten um Erlaubnis, nach Hause
zu fahren. Sie wollten nicht nach Eiland Eins, solange ihre Familie
in
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