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Die Kolonie

Die Kolonie

Titel: Die Kolonie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ben Bova
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beobachtet, wie sie allmählich grün
wurde.
    »Ich fürchte, mein Magen hat das nicht so gern«,
sagte sie leichthin.
    Die übrigen Teilnehmer waren an ihnen vorbeigestapft wie eine
Reihe von Automaten und durch die Dockluke in die Kommuterkugel
gestiegen.
    »Normalerweise dürfen wir den Trainingsgästen keine
Medikamente verabreichen«, meinte der Leiter und kramte in den
Taschen seines Trainingsanzuges, »aber ich glaube, das Zeug hier
ist harmlos.«
    Er holte eine Pillendose aus Kunststoff hervor und entnahm ihr
eine kleine weiße Kapsel, reichte sie Evelyn und sagte:
»Das wird Ihren Magen unter Kontrolle halten. Der Rückflug
zum Hauptzylinder dauert etwa fünfzehn Minuten, und die
Schwerkraft wird die meiste Zeit unter einem Fünftel ge
liegen.«
    Evelyn starrte auf die Kapsel in ihrer Hand und blickte dann zu
ihm auf. »Das ist… sehr nett von Ihnen.«
    Nun lächelte er endlich, und sein Gesicht legte sich
plötzlich in tausend Falten. »Ich heiße Harry –
Harry Bronkowski.«
    »Danke, Harry.«
    Er riskierte einen Blick auf den Ausweis an ihrer Brust.
»Evelyn Hall.«
    »Das bin ich.«
    Er begleitete sie zur Luke der Kommuterkugel, reichte ihr einen
Plastikbehälter mit Wasser und saß dann während des
ganzen Rückfluges auf dem Polstersitz neben ihr, erzählte
von sich, von seinem Leben, von seiner Arbeit als Lehrer und
Fremdenführer, von seinen Hobbys und beklagte sich darüber,
wie einsam das Leben eines Junggesellen sein kann.
    Evelyn bemerkte, daß ihr einige der Frauen sorgenvolle
Blicke zuwarfen. Ihr könnt ihn haben, sagte sie bei sich. Raumkrankheit wäre besser.
     
    Nach der Ankunft im Hauptzylinder hatte die Trainingsgruppe zwei
Stunden Mittagspause. Es stand ihnen frei, in der Cafeteria des
fünfstöckigen Trainingscenters zu essen oder in die
Siedlung hinunterzusteigen und dort in einem der kleinen Restaurants
ihre Mahlzeit einzunehmen. Evelyn meinte, sie würde lieber in
ihre Wohnung gehen und ein Nickerchen machen, anstatt ihren labilen
Magen mit einer weiteren Mahlzeit zu belasten.
    Sie verließ das Trainingscenter und ging in Richtung
Apartmentkomplex. Doch sie legte nur wenige Meter auf dem Gehsteig
zurück. Dann blieb sie stehen und blickte auf das gestufte,
pastellfarbene Trainingsgebäude zurück. Die übrigen
Teilnehmer ihrer Gruppe waren außer Sichtweite. Sie hatten ihre
eigenen Wege eingeschlagen, um zu Mittag zu essen.
    Evelyn ging vorsichtig um das Gebäude herum und an den
offenen Fenstern eines Kindergartens vorbei, hinter denen eine Gruppe
Kinderlieder sang. Sollte für sie in den ordentlichen Schulen
kein Platz sein? fragte sie sich. Oder ist dies eine
Sondergruppe? Schließlich fand sie, was sie suchte: einen
Eingang und Treppen, die zum U-Bahnschacht hinunterführten.
    Der Bahnsteig war leer. Evelyn riskierte einen Blick die Schienen
entlang. Kein Zug in Sicht. Sie schritt nervös den Bahnsteig
entlang und wartete. Die Sensoren registrieren automatisch,
daß hier ein Fahrgast wartet, der mitfahren möchte, erinnerte sie sich. Und während sie wieder die Schienen
entlangblickte: Wo dieser verdammte Zug nur bleibt?
    Die Wagentür glitt zischend auf, und sie stieg ein. Sie
meinte zu spüren, daß der Wagen auf seinen
Magnetträgern leise wippte, als sie einstieg, doch die Bewegung
war so geringfügig, wenn überhaupt, daß es auch
Einbildung sein konnte.
    Der Zug fuhr wieder an und beschleunigte leicht sein Tempo.
Außer ihr befand sich nur noch ein einziger Fahrgast im Wagen,
ein dunkelhaariger Mann mit kantigem Gesicht, der ganz vorn im Wagen
saß und genüßlich ein Sandwich verspeiste.
    Jeder ißt, wo er was findet, dachte Evelyn und
ließ sich auf einem Sitz in der Nähe der Tür nieder,
wo sie eingestiegen war.
    Der Zug hielt nicht mehr an, sondern durcheilte fast völlig
lautlos die Gesamtlänge des Koloniezylinders. Lächelnd
erinnerte sich Evelyn an ihren ersten Tag und daran, wie mühsam
ihre Fußwanderung gewesen war.
    Als der Zug hielt, erhob sie sich und wartete darauf, daß
die Türen aufgingen. Der andere Fahrgast trat neben sie und warf
die Kunststoffpackung seines Sandwich in den Abfalleimer, der in die
Wagenwand eingelassen war. Er war etwas kleiner als Evelyn, aber sehr
stämmig. Auf seinem Kinn hing ein Senftropfen.
    »Haben Sie sich verirrt?« fragte er. In seiner Stimme
lag ein leichter kontinentaler Akzent.
    »Nein«, sagte sie und blickte auf das Berufszeichen auf
seiner Brust, ein stilisiertes Flügelpaar: also ein Astronaut.
»Wieso meinen Sie,

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