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Die Kolonie

Die Kolonie

Titel: Die Kolonie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ben Bova
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aus blankem Metall.
Das Farmland war nichts weiter als ein Stück dicht bepflanzter
Boden, der die Mitte des kugelförmigen Raumes einnahm. Evelyn
blickte nach oben und sah Pflanzen und eine Art Spinngewebe, das
über ihren Köpfen baumelte. Blendendes Sonnenlicht drang
durch die runden Fenster, die auf beiden Seiten des kultivierten
Streifens in die Metallwände eingelassen waren. Hier war es
heiß und dämpfig, und das blendende Sonnenlicht erzeugte
einen Druck hinter Evelyns Augen, der sich umgehend in rasende
Kopfschmerzen verwandelte.
    »In diesen Räumen«, erklärte der Führer,
»können wir das Luftgemisch, die Temperatur, die
Schwerkraft, ja sogar die Dauer des Tageslichts regeln.« Er
zeigte auf die Fenster, und Evelyn sah, daß man diese mit
Metallblenden schließen konnte, die neben den Fenstern
angebracht waren.
    Da die Kolonie in ihrer Position in L4 stets von der Sonne
beschienen wurde, war es einfach, die Länge des Tages zu regeln.
Hier wurden ›Tag‹ und ›Nacht‹ durch das
Öffnen oder Schließen der Blenden bestimmt. Im
Hauptzylinder dagegen waren die großen Sonnenspiegel auf einen
24-Stunden-Zyklus programmiert.
    »So können wir willkürlich jede Art
Wachstumsbedingungen erzeugen, ohne den erdähnlichen
Tag-und-Nacht-Rhythmus oder sonstige Lebensbedingungen im
Hauptzylinder zu stören.«
    Für mich sieht das alles trotzdem nach Unkraut aus, beharrte Evelyn bei sich.
    »Hier«, fuhr der Führer fort, wobei er immer noch
keine Miene verzog, »untersuchen wir das Wachstum von Parasiten,
die möglicherweise unsere Nährpflanzen angreifen oder bei
anfälligen Kolonisten Allergien hervorrufen könnten.
Unkraut also, um es anders auszudrücken.«
    Evelyn konnte ein Lachen kaum unterdrücken.
    Sie wandte sich um und riskierte einen Blick auf die anderen
Trainingsgäste, sechs Frauen und fünf Männer –
keiner von ihnen unter dreißig. Die machen alle so ein
verdammt ernstes Gesicht, als würde ihr Leben von jeder Silbe
abhängen, die dieser Langweiler von sich gibt.
    Doch dann wurde ihr klar, daß ihr Leben tatsächlich von
jenen Kenntnissen abhing, die sie hier sammelten. Sie hatten vor, in
der Kolonie zu leben und kein Verlangen danach, auf die Erde
zurückzukehren.
    Doch warum müssen sie aussehen wie Missionare?
Könnten sie nicht wenigstens ein einziges Mal
lächeln?
    Während der letzten paar Tage hatte Evelyn selbst wenig
Anlaß zum Lächeln gehabt. Nach dem ersten Tag, an dem sie
den Hauptzylinder durchstreift hatte, und nach der Nacht mit David
hatte sie sich auf die typische Routine eines Trainingsteilnehmers
eingestellt, die aus Studium und Forschung bestand. David hatte ein
paarmal angerufen, und schließlich hatte sie eingewilligt, am
Freitagabend mit ihm zu essen. Nicht zu nahe rangehen, warnte
sie sich selbst. Spaß bleibt Spaß, aber du willst dich
nicht zu lange hier aufhalten. Hüte dich vor dem Feuer, altes
Mädchen.
    Schließlich hatte ihr Reiseleiter seinen Vortrag beendet und
führte sie nun zum Kommuter zurück.
    »Sir?« fragte einer der Teilnehmer. »Ich sehe hier
keine Menschen. Ist der Betrieb vollautomatisch?«
    »Soweit wie möglich«, sagte der Führer mit
steinernem Gesicht. »Die Plattformen sind nicht so gut gegen die
schädlichen kosmischen Strahlen und Sonnenstrahlen abgeschirmt
wie der Hauptzylinder. Daher wird versucht, so wenig Menschen wie
möglich der Strahleneinwirkung auszusetzen.«
    Herzlichen Dank! dachte Evelyn.
    Wenn sich die übrigen überhaupt Gedanken über die
Strahlendosis machten, denen sie ausgesetzt waren, so ließen
sie sich zumindest nichts anmerken. Folgsam wandten sie sich wieder
der Luke der Kommuterkugel zu und waren so schweigsam, daß
Evelyn meinte, sie wäre wieder im Kommunionunterricht bei den
Schwestern der Leidenden Mutter Gottes, wo sie auf die Erste Heilige
Kommunion vorbereitet worden war.
    Dann fiel ihr ein, daß ihr noch eine weitere schwerelose
Reise bevorstand. Wenn sich nur mein Magen beruhigen würde. Zumindest dürfte es für heute die letzte Fahrt sein,
hoffte sie.
    Irgend jemand tippte ihr auf die Schulter.
    Sie drehte sich um und sah, daß es der Reiseleiter war, der
sie prüfend musterte. Er hatte ein hübsches hageres
Gesicht. Er würde ganz nett aussehen, wenn er nur
lächeln würde.
    »Sie scheinen unter dem schwerelosen Teil der Tour gelitten
zu haben«, sagte er.
    Zunächst fragte sich Evelyn, ob sie es leugnen sollte. Doch
dann meinte sie, es sei besser, ihre Schwäche offen zuzugeben.
Offensichtlich hatte er

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