Die Kolonie
wie zu einer Art geistlichem
Führer.«
»Allmählich wird er überall in Afrika zum Symbol
für Freiheit und für die Mißachtung der
Autorität«, sagte Boweto. »Die RUV-Gruppen bewundern
und verehren ihn.«
»Die Sache ist viel ernster«, meinte Chiu. »Die
›Revolutionäre Untergrundbewegung des Volkes‹ ist
nichts weiter als ein Haufen zusammengewürfelter
Milchbärte, die prinzipiell mit jeder Gesellschaft
unzufrieden sind, in der sie leben. Ihre Aktionen waren
gewalttätig, aber unkoordiniert, ein kleiner Schwarm von
Stechmücken, eher lästig als gefährlich. Junge
Rebellen, die sich romantische Namen geben, wie etwa
›Scheherazade‹. Doch wenn sie sich El Libertador anschließen und zu einer disziplinierten Truppe werden,
könnte die RUV zu einem giftigen Wespenschwarm werden.«
»Unsinn«, erwiderte Malekoff. » El Libertador ist kaum mehr als eine romantische Legende. Er repräsentiert
das nostalgische Bedürfnis einer Rückkehr zum
Nationalismus.«
»Die Sache ist wohl doch etwas gefährlicher«, warf
Williams ein.
Die Tür des Konferenzsaales ging auf, und auf der Schwelle
stand Colonel Ruiz mit roten, tränenumflorten Augen.
»Meine Freunde… die Regierung meines Landes wurde
gestürzt. Es hat einen Staatsstreich gegeben. Meine Mitregenten
wurden erschossen oder verhaftet. Meine Familie haben sie als Geisel
genommen, als Garantie für meine Rückkehr nach Buenos
Aires.«
Alle außer De Paolo sprangen von ihren Sitzen auf und traten
zu dem Offizier. Man führte ihn zu einem Sessel. Der Adjutant
des Direktors brachte ihm ein Glas Wasser.
»Gebt ihm etwas Whisky!« forderte Williams.
»Wer hat die Regierung gestürzt?« fragte De Paolo
mit erhobener Stimme, um den Wirrwarr zu übertönen.
»Wir haben keine Berichte über irgendwelche politischen
Unruhen in Argentinien, ausgenommen…« Seine Stimme
erstarb.
Colonel Ruiz blickte auf. »Ausgenommen El
Libertador.« Sein Gesicht war schmerzverzerrt. »Ja, es
stimmt. Er ist’s. Er hat mein Land im Handstreich genommen. Ganz
Argentinien gehört ihm. Wie lange wird es noch dauern, bis
Uruguay und Chile zu ihm überlaufen? Wie lange wird sich
Brasilien noch halten?«
Gamal Al-Hazimi saß still in seiner Limousine mit
Klimaanlage und beobachtete seinen Sicherheitsoffizier, der auf dem
Hubschrauberlandeplatz nach allen Seiten Ausschau hielt. Sie alle
trugen diese spezielle, haschemitische Kleidung und das karierte
Kopftuch, und alle waren mit kurzläufigen Laserpistolen
ausgerüstet.
Der Flugplatz gehört der Weltregierung, dachte
Al-Hazimi, und sie ist für seine Sicherheit verantwortlich.
Doch die Weltregierung hat viele Feinde. Er lächelte in sich
hinein. Es stimmt schon: Wenn ein Mensch sein Leben anderen
anvertraut, so schätzt er es äußerst gering
ein.
Der rotweiße Hubschrauber kam vom glitzernden Himmel
herunter und landete in der Nähe der Limousine, wobei seine
Rotoren Staub und Split aufwirbelten. Al-Hazimi nahm das karierte
Tuch, das ihm von einem der Leibwächter auf dem Vordersitz
gereicht wurde, schlang einen Zipfel als Mundtuch vors Gesicht wie in
einem Sandsturm und eilte zum Hubschrauber.
Nachdem die Maschine gestartet war und Kurs auf die Yacht nahm,
die im Hafen vor Anker lag, wandte sich Al-Hazimi an den Piloten, der
neben ihm saß, und sagte auf arabisch: »Hast du dieses
Flugzeug gründlich untersucht?«
Der Pilot, das Gesicht von Helm und Schutzvisier
überschattet, grinste und zeigte seine Zähne. »Jawohl,
Exzellenz, mehr als gründlich. Da fehlt nichts.«
Al-Hazimi nickte, holte sein handtellergroßes
Tonbandgerät aus der Jackentasche und begann auf englisch zu
diktieren, eine Sprache, die der Pilot nicht verstand.
»An Garrison in Houston. Durch Kurier über die
zuverlässigste Strecke: De Paolo ist besorgt, daß Eiland
Eins das Hauptquartier für Forschungsarbeiten über
biologische Waffen sein könnte. Boweto spielt verrückt
wegen unserer Ablehnung, einen politischen Besuch in der
Weltraumkolonie zu gestatten. Ich erwarte eine strengere
Überwachung und gesteigerte Spionagetätigkeit. De Paolos
Hauptsorge gilt nach wie vor der Wetterveränderung. Ich schlage
vor, daß wir diese Operationsphase so schnell wie möglich
beenden, bevor sie irgend etwas ausfindig machen können. Wir
müßten engere Beziehungen zu El Libertador aufnehmen, und zwar über die gleichen Kanäle, durch die
ihm jenes Material zugeführt wurde, von dem er bisher Gebrauch
gemacht hat. Auf alle Fälle ist zu verhindern, daß
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