Die Kolonie
ein Reiseleiter. Verdammt noch mal, dachte David, warum hast du dich so verändert? Es
hätte mir so manches erleichtert.
Grady lenkte den Traktor am anderen Ende der Grube bergauf, und
wieder umgab sie diese beklemmende Leere. Es war wie auf See: nichts
als Horizont, wo man auch hinschaute, und darüber der dunkle
Himmel.
Er hielt den Traktor an.
»Willst du vielleicht rausgehen und dir die Füße
vertreten? Deine Fußabdrücke auf dem Mond
verewigen?«
Er glitt vom Führersitz, und David rutschte auf seinen
Platz.
»Nicht so, Verehrtester, steig an deiner Seite aus«,
sagte Grady, indem er sich David halb zuwandte.
Da stand er, etwas vornübergebeugt, eingerahmt von der Luke,
einen gestiefelten Fuß auf der obersten Leitersprosse, den
anderen auf der Lukenschwelle. David lehnte sich hinüber und
faßte ihm unter die Arme.
»He! Was, zum Teufel…?«
Bei der geringen Schwerkraft fiel es ihm leicht, ihn hochzuheben,
selbst aus dieser halb sitzenden Stellung. David löste ihn vom
Traktor, versetzte ihm einen leichten Stoß und ließ ihn
los. Gradys Gestalt im grünen Kleid brauchte eine Ewigkeit, um
auf dem Boden zu landen. Er setzte mit den Stiefeln zuerst auf und
wirbelte eine kleine, träge Staubwolke auf. Er taumelte
rückwärts, fiel über seinen Rucksack und setzte sich
schließlich mit gespreizten Beinen auf.
»Du verdammter Hundesohn!« röhrte es in Davids
Kopfhörer. »Was, zum Teufel, machst du denn da? Ich werde
dir alle verdammten Knochen in deinem verfluchten Leib
entzweibrechen…«
Er rappelte sich hoch. David setzte sich auf dem Fahrersitz
zurecht und griff nach den Steuerhebeln. Er stieg aufs Gaspedal, und
der Traktor machte einen Satz.
»Komm zurück, du Bastard!«
David lehnte sich aus der Führerkabine und blickte auf den
Vormann hinab. Hinter ihm hüpfte Grady wie eine Heuschrecke in
seinem grünen Anzug auf und ab, wedelte mit den Armen und
brüllte vor Wut.
»Grady, was ist los?« fragte eine andere Stimme. Das war
das Kontrollzentrum in der Basis. »Hast du
Schwierigkeiten?«
Doch Grady gab nichts weiter als eine Reihe lästerlicher
Flüche von sich.
»Grady, wo bist du? Ist was passiert?«
»Ich werde diesen Hundesohn umbringen! Ich werde dich in
Stücke reißen, Adams! Ich werde dir bei lebendigem Leib
die Haut abziehen!«
David lehnte sich auf dem Fahrersitz zurück und
lächelte. So ist es schon besser. Das ist schon eher jener
Pete Grady, den ich kennen- und liebengelernt habe.
Nach wenigen Minuten tauchten weitere Stimmen im
Kommunikationsnetz auf.
»Hat er den Traktor gestohlen?«
»Wo zum Teufel will er hin damit?«
»Die einzige Möglichkeit ist Selene.«
David nickte. Genau das, mein Freund.
»Selene? Das schafft er nie! Das sind mehr als tausend
Meilen!«
»Wahrscheinlich hat er Luft genug…«
»Ja schon, aber keine Navigationshilfe von hier nach Selene.
Kein Mensch kann die Reise über Land machen. In ein paar Stunden
ist er hin.«
»Gut«, schnaubte Gradys Stimme dazwischen. »Ich
hoffe, daß der kleine Bastard da draußen in seinem
eigenen Fett erstickt. Ich wollte, wir hätten ein paar Aasgeier,
um sie mit seinem Leichnam zu füttern.«
Die abnormalen Wetterbedingungen in einem Großteil der
nördlichen Hemisphäre während des vergangenen Winters
und Frühjahrs wurden durch die Umkehr des gewöhnlichen
polaren Tiefs verursacht, das den arktischen Luftstrom unter normalen
Bedingungen beherrscht. Das Polartief wurde durch ein fast statisches
Hochdrucksystem ersetzt, das eine konsequente Verlagerung der Winde
in der nördlichen Hemisphäre verursachte, die sich in
abnormalen Windverhältnissen und Sturmböen in der
Troposphäre auswirkten. Dies führte verbreitet zu
langanhaltenden Niederschlägen und Überschwemmungen im
nordamerikanischen Mittelwesten und auf der skandinavischen Halbinsel
und zu verheerender Trockenheit in niedrigeren Breiten.
Sollten diese unnatürlichen Zustände durch
menschliche Intervention ausgelöst worden sein, so müssen
die Wetterveränderungen so groß und so massiv angelegt
worden sein, daß die Computer des Internationalen
Wetterdienstes nicht mehr in der Lage sind, das Ende dieser
abnormalen Verflechtungen vorauszusagen. Das heißt schlicht und
einfach: das Wetter kann sich innerhalb der nächsten Wochen,
Monate oder Jahre beruhigen – oder gar nicht. Wir verfügen
einfach nicht über ausreichende Informationen für eine
verbindliche Prognose.
- Dr. R. Copeland III,
Chefkoordinator des Internationalen
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