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Die Kometenjäger: Roman (German Edition)

Die Kometenjäger: Roman (German Edition)

Titel: Die Kometenjäger: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marc Deckert
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streckte sie mir hin und sagte, er koste elf Dollar.
    Wenig später stellte ich den Wagen auf einem Parkplatz neben ein paar Blockhütten der Nationalparkverwaltung ab und machte mich zu Fuß auf den Weg. Die gewaltig vor dem tiefblauen Himmel stehenden Klippen des Canyons waren von jenem gleichen Goldgrün, das ich schon am Tag zuvor bewundert und für einen Effekt der Abendsonne gehalten hatte. Neben Pfaden aus rötlichem Staub saßen kugelförmige Kakteen in ihren Mulden, und andere Kakteen reckten ihre herzförmigen Glieder. Das gelbe Gras am Wegrand war so trocken, dass es bei jedem Schritt raschelte. Livingston hatte mir erzählt, dass es seit Monaten nicht geregnet hatte. Und doch fand ich immer wieder Matten blühender Blumen. Sie wuchsen entlang schmaler Pfade und Furchen, wo einmal Wasser zu Tal geflossen sein musste. Akazien, Eichen und Walnussbäume beugten sich über trockene Bachbetten, die den Geruch von Honig zu transportieren schienen, und durch die Luft wirbelten die Baumwollballen der Pappeln.
    Die Natur hier im Canyon hatte überhaupt nichts mit dem Land der Dornbüsche und ausgewaschenen Trockenrinnen draußen zu tun. Entlang des Cave Creeks erstreckte sich sogar ein kleines grünes Flusstal mit reicher Vegetation. Es war wie ein Dschungel mitten in der Wüste. Schlingpflanzen hingen von Ästen herab, und im stärksten Dickicht musste ich mir mit dem Hut in der Hand einen Weg durch Vorhänge klebriger Blätter bahnen, während sich Insektenflügel auf meine schweißbedeckten Arme legten.
    Nachdem ich eine Weile am Fluss entlanggewandert war, verließ ich das Tal und wählte einen steileren Pfad, der nach oben führte, zwischen winzigen Bündeln blauer Akeleien hindurch, die direkt aus dem Fels zu entspringen schienen. Ich kletterte so lange, bis ich in das schattige, dunkelgrüne Reich von Wacholder und Kiefern gelangte. Über eine Gruppe flacher Felsen, die eine natürliche Treppe bildeten, versuchte ich von einem Vorsprung zum nächsten zu hüpfen, bis ich schließlich, zu meiner Überraschung, auf einem flachen Sims hoch über dem Canyon landete, der wie eine Aussichtsplattform dalag. Und dort, in einer natürlichen Vertiefung im Stein, lag ein Wasserbecken. Es war groß wie eine Badewanne, das Wasser mochte mehr als knietief sein. Als ich einen Finger hineintauchte, wanderten Sonnenreflektionen über den glatten Grund, und winzige Sandkörner glitzerten in Rot und Grün wie geschliffene Edelsteine. Ich sah Krebstierchen mit zitternder Bewegung durch das Wasser schwimmen, kleine durchsichtige Körper und Köpfe mit Beißwerkzeugen und Zangen. Kaum wandte ich den Kopf wieder der Landschaft zu, da meinte ich ein Summen zu hören, und wirklich war über mir eine Felsspalte, in die Bienen ein- und ausflogen.
    Der Kometenjäger Daniel Livingston war zwar überrascht, erneut von mir zu hören, aber es verwunderte ihn nicht, dass ich meine Abreise hinauszögerte.
    »Also gefällt es Ihnen bei uns?«
    »Ja, ich denke, ich bleibe noch bis zum Abend.«
    »Haben Sie das Chiricahua Monument gesehen?«
    »Nein, was ist das?«
    Livingston erzählte mir von einem riesigen Garten aus vierkantigen Felstürmen, der das Land gleich einer alten, zerfallenen Stadt überziehe. Bevor ich ihn nicht gesehen hätte, sei an eine Abreise nicht zu denken. Ich versprach, den Besuch noch einzuplanen. Wir plauderten eine Weile, und er sagte, wenn ich gerade nichts anderes vorhätte, solle ich zum Tee vorbeikommen.
    Am Nachmittag empfing er mich in seinem Arbeitszimmer, das zugleich eine Bibliothek war. Während er in der Küche Tee zubereitete, ging ich an den Regalen entlang.
    »Interessieren Sie sich für Philosophie?«, rief ich.
    »Wieso?«
    »Aristoteles, Plutarch, Seneca. Das sind alles Philosophen, oder?«
    »Oh, das auch«, sagte Livingston, der mit zwei Tassen und einem Schälchen Cookies zurückkehrte.
    »Das auch?«
    Er sah, dass ich nicht verstand, was er meinte, ging an den Regalen entlang und zeigte mit dem Finger auf den Anfang der Reihe: »Hier sind die Griechen. Apollonios von Myndos war der erste Kometenforscher. Er lag mit fast allem richtig, um vierhundert vor Christus, leider hat er keine eigenen Aufzeichnungen hinterlassen. Aristoteles – er hat auch über Kometen geschrieben, lauter Unsinn, aber interessant zu lesen. Dann der Römer Seneca – er hat eine berühmte Abhandlung über Kometen geschrieben, bevor Nero ihn zwang, sich die Pulsadern aufzuschneiden. Wussten Sie das?« Livingston bemerkte mein

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