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Die Kometenjäger: Roman (German Edition)

Die Kometenjäger: Roman (German Edition)

Titel: Die Kometenjäger: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marc Deckert
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Abzweigung. In der Ferne kann ich den Highway sehen. Ein Scheinwerferpaar in der dunklen Ebene rast mit mindestens hundert Sachen Richtung Süden. Ich könnte ihm folgen und die Vereinigten Staaten in weniger als einer Stunde verlassen. Oder noch vor Mitternacht eine Bar in Tucson betreten. Über den Bergketten im Osten glitzert die blaue Vega. Die Nacht ist so dunkel, ich weiß, würde ich die Scheinwerfer ausschalten, könnte ich sehen, wie die Sommermilchstraße aufgeht.
    Ohne es zu wollen, muss ich an Tom denken, als ich zum wiederholten Mal entschlossen in die falsche Richtung fahre. Zum wiederholten Male holpere ich einen steinigen Pfad hinauf mit unbekanntem Ziel. Es ist, als wäre er immer noch bei mir. Durch mein Scheinwerferlicht huschen Wüstentiere, große Mäuse oder kleine Kaninchen. Es ist dieselbe Neugier, die mit Tom ihren Anfang genommen hat, schon damals auf dem Dach in der Stadt, dieselbe Neugier, die mich dazu gedrängt hat, in Toms Auto zu steigen – ohne das Ziel zu kennen. Alles hat mit Tom zu tun, egal ob ich das wahrhaben will oder nicht. Etwas hat sich von ihm auf mich übertragen, und jetzt werde ich es nicht mehr los, selbst in seiner Abwesenheit nicht.
    Das Haus steht auf einem staubigen Platz, ein einfaches Holzhaus. Nur ein Stockwerk und ein Dachstuhl unter einem hohen Giebel. Ein Windrad auf einem Stahlgerüst, daneben ein Geräteschuppen. Aus ein paar Fenstern im Erdgeschoß dringt Licht, und über der Pforte, die auf den Vorplatz hinausgeht, schimmert eine fahle grüne Lampe. Als ich auf dem Hof halte und das Scheinwerferlicht lösche, ist meine Ankunft vermutlich schon bemerkt worden. Wie verhalten sich die Leute hier, wenn um diese Zeit ein Fremder bei ihnen aufkreuzt? Ich steige aus dem Auto und gehe zur Haustür hinüber, mit unsicheren Schritten wie ein Dieb in der Nacht. Und dort, auf der Tür, sehe ich das Schild. Verschnörkelte goldene Lettern auf weißem Grund: »Home of Laurie and Daniel Livingston.«

KAPITEL 3

    E s dauerte eine Weile, bis sich im Haus etwas regte, dann hörte ich Schritte zur Tür schlurfen. Geöffnet wurde sie von dem Mann, der vorhin im Hinterzimmer des Ladens gesessen hatte.
    »Hallo?«, sagte er. Hallo mit einem Fragezeichen.
    »Entschuldigen Sie bitte.«
    »Ja?«
    »Wir sind uns vorhin in dem Laden begegnet. Sie haben Suppe gegessen.«
    Er sah mich unsicher an. Wahrscheinlich fragte er sich, ob er seine Suppe bezahlt habe. Ein großer Mann mit eingezogenem Kopf und dem Aussehen eines melancholischen Studienrats. Ich beäugte ihn von oben bis unten: Von seinem lichten, quer über den Kopf gekämmten Haar bis hinunter zu den bequemen Jeans und Trekkingsandalen.
    »Und Sie wollen …?«, begann er, als er merkte, dass ich ihn anstarrte.
    »Die Dame, Rose, hat mir erzählt, dass sie die Sterne beobachten.«
    »Ganz recht.«
    Er wartete jetzt auf eine Erklärung. An seiner Gestalt vorbei konnte ich einen Blick in den Hausflur werfen. Ich hörte den Fernseher laufen. Ich musste etwas sagen. Also sagte ich: »Sie sind Livingston, der Kometenjäger, nicht wahr?«
    Er sah weder erfreut noch verärgert aus über den Titel. Er sah überrascht aus, als hätte er das Wort lange nicht mehr gehört.
    »Mein Name ist Livingston, ja …«
    »Ich habe Sie gestört.«
    »Das macht nichts«, sagte er und versuchte zu lächeln. Wir waren beide gleich hilflos, gleich überfordert mit der Situation. Wahrscheinlich hätten wir noch lange so dagestanden und uns gegenseitig taxiert, wären wir nicht von einem Wehklagen unterbrochen worden. Das unheimliche Geräusch schien aus dem Haus zu kommen. Ein Scharren und ein Fauchen und dann ein verzweifelter dünner Schrei.
    »Schon wieder«, sagte Livingston. »Es gibt Ärger am Teich. Ich muss nachsehen.«
    Noch ein Schrei, dann verebbte der furchterregende Laut.
    »Was war das?«, fragte ich und blieb auf der Schwelle stehen.
    »Könnte ein Waschbär oder ein Stinktier gewesen sein. Ich habe eine Wasserstelle hinter dem Haus.«
    Livingston wandte sich um und bat mich, ihm zu folgen. Wir gingen durch den Flur zu einer Verandatür mit Fliegengitter und auf einen Hinterhof hinaus, der in rötliches Licht getaucht war. In der Mitte des sandigen Platzes lag ein künstlicher kleiner Teich, eine Mulde im Boden, die mit Plastikplane ausgeschlagen war. Am Rande des Gewässers beugten wir uns über den leblosen Leib eines kleinen Tiers.
    »Ein Waschbär also«, sagte Livingston.
    »Was ist mit ihm passiert?«
    »Wahrscheinlich hat ihn

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