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Die Kometenjäger: Roman (German Edition)

Die Kometenjäger: Roman (German Edition)

Titel: Die Kometenjäger: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marc Deckert
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Kopfschütteln und rief aus: » Novus stella, novus rex! Ein neuer Stern, ein neuer König. Die Römer glaubten, dass Kometen Königsmörder seien. Seneca wollte mit diesem Aberglauben aufräumen, aber Nero wollte weiter daran glauben. Wenn ein großer Komet aufgetaucht ist, hat er alle Menschen in seiner Umgebung, die Verschwörer hätten sein können, hinrichten lassen. Auch seine Mutter. Er hat stark übertrieben.«
    Ich ging weiter an dem Regal entlang, bis ich in der Neuzeit landete. Livingston hatte auffällig viel Shakespeare im Regal.
    »Nun sagen Sie bloß, Shakespeare war auch ein Kometenforscher.«
    »Nein, er hat sie nur häufig als dramaturgisches Mittel benutzt«, sagte er. »Um die Spannung zu steigern.«
    Seine Teleskope bewahrte Livingston in einer schlichten Garage hinter dem Haus auf, die ihm gleichzeitig als Observatorium diente. Er gewährte mir einen kurzen Rundgang nach dem Tee. Im Dunkel seiner Garage betätigte er irgendeinen Knopf (»Früher konnte ich das von Hand«), woraufhin das elektrische Dach, ein Rollladen aus Metall, langsam den Himmel freigab. Am Ende der Garage entstand so eine kleine Terrasse, die einen Blick über das ganze Tal bot, die Öffnung des Canyons im Westen und die fernen Berge New Mexicos im Osten. Die Teleskope selbst beeindruckten mich nicht. Es waren die gleichen Dinger, die Tom in seiner Werkstatt bastelte, alte Röhren und handelsübliche Geräte aus dem Katalog mit ein paar geringfügigen Modifikationen.
    »Das ist Ihre ganze Ausrüstung?«
    »Ja. Wundert Sie das?«
    »Ich dachte, Sie hätten vielleicht was Größeres.«
    Livingston lachte sanftmütig. »Etwas wie das Clark? Das ist für die Kometenjagd ganz ungeeignet. Sie brauchen kleine wendige Geräte. Kommen Sie mit.«
    Wir erklommen den kleinen Berg, der sich direkt an Livingstons Hof anschloss. Livingston sagte, er habe dort noch ein weiteres Observatorium mit besserem Rundblick. Als ich ihm über den steinigen Weg nach oben folgte, erwartete ich wohl einen majestätischen Ausguck, mindestens einen Turm wie bei Tom zu Hause. Aber das Observatorium war nicht mehr als ein kleiner Holzverhau. Eine quadratische Box, weniger als mannshoch, mit grauen, verwitterten Planken, die im pfeifenden Wüstenwind stand wie etwas, das vor langer Zeit hier vergessen worden war. Die Konstruktion fußte auf irgendeinem unsichtbaren Fundament, auf jeden Fall berührten die Außenwände den Boden nicht ganz. Livingston zog einen Schlüssel aus der Tasche und steckte ihn in ein Vorhängeschloss. Dann schlüpfte er durch einen schmalen Einlass ins Innere des Verhaus, stemmte sich mit den Schultern gegen das Dach und schob es weg wie den Deckel eines Fasses. Die kleine quadratische Box war nun nach oben offen. In ihrem Inneren warteten ein Sitz, ein Steuerrad und schließlich auch noch ein Teleskop. Es war eine gedrungene Röhre mit starken Gebrauchsspuren, kurz und dick wie die Trommel eines Schlagzeugs. Auf ihrem abgewetzten, grauen Lack konnte ich eine Reihe von Messingplaketten erkennen, wie auf Toms Clark, aber es waren mehr. Auf der untersten las ich: »First Light November 28 1976«. Und dann folgten weitere Daten: »1984t November 14 1984«, »1987a January 5 1987«, »1987y October 11 1987«, »1988e March 19 1988«; neun Plaketten zählte ich insgesamt. Ich studierte eine Weile die Daten und berührte die Plaketten ungläubig mit den Fingerspitzen.
    »Sie haben die alle hiermit gefunden?«
    »Ja.«
    »Ich trat einen Schritt zurück und betrachtete die seltsame Konstruktion noch einmal von außen.
    »Wie funktioniert das?«
    Livingston bat mich mit einer einladenden Handbewegung, Platz zu nehmen. Ich quetschte mich durch den schmalen Eingang in den Sitz. Dort blieb mir nicht viel zu tun, außer das vor mir liegende eiserne Rad zu ergreifen – ich nahm es in beide Hände wie ein Auto-Lenkrad und warf Livingston einen fragenden Blick zu.
    Er nickte mir aufmunternd zu, also fing ich an zu drehen. Nicht nur das Teleskop bewegte sich. Ich begann auf meinem Stuhl zu rotieren, das Teleskop drehte sich mit, und auch die ganze Hütte drehte sich um die eigene Achse wie ein Karussell auf einem Kinderspielplatz. Ich kurbelte weiter an dem Rad – bis ich meine Pirouette vollendet hatte und den Mann verblüfft durch die Einstiegsluke betrachtete.
    »Praktisch, oder? So können Sie den ganzen Himmel untersuchen, ohne aufzustehen«, erklärte er. »Nach ein paar Stunden wissen Sie es zu schätzen.«
    »Ach so.«
    »Es ist wie

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