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Die Kometenjäger: Roman (German Edition)

Die Kometenjäger: Roman (German Edition)

Titel: Die Kometenjäger: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marc Deckert
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Modulation in der Luft, Unsicherheit und ahnungsvolle Erwartung. Wie eine Empfindung aus einem früheren Leben, dachte ich.
    Eine Hand legte sich um meinen Hals. Ich drehte mich zur Seite und bekam wieder einen Schubs. Diesmal mit der Hüfte.
    »Oh, du bist ja schon … wieder da«, sagte ich zu Vera. Ein paar Menschen unterbrachen das Küssen und wandten sich zu uns um.
    »Ja, warum nicht?«
    »War es nicht so lustig hinten?«
    »Doch, aber du stehst schon den ganzen Abend alleine herum.«
    »Komisch, ich dachte dasselbe von dir.«
    Ich lehnte an der Reling und sah sie an. Ich fragte mich, warum ich verlegen war.
    »Hörst du das?« Sie schien schon wieder abgelenkt.
    Das Geräusch, das sie meinte, war die Musik im hinteren Teil des Schiffs, die lauter geworden war. Vielleicht setzte die Band zum großen Finale an. Allerdings verzerrte sich der Klang auch immer mehr, aus dem an- und abschwellenden Scheppern, das der Wind zu uns trug, wurde jetzt ein massives Krachen, das wehtat. Das konnte keine Absicht mehr sein. Es hörte sich an, als wäre ein Betrunkener über das Mischpult gefallen. Vera sah mich fragend an. Ein paar Sekunden später brach der Lärm mit einem Schlag ab, und im selben Moment gingen alle Lichter aus. Ein »Aaaah« kam von der Menge auf den oberen Decks, dann war nur noch das Schäumen in den Schiffsflanken und darunter das gleichmäßige Brummen der Motoren zu hören.
    »Scheiße«, sagte Vera. »Was ist jetzt los?«
    »Ich hab keine Ahnung.«
    Das Deck lag in vollkommener Dunkelheit. Nur in der kleinen Steuerkabine über uns glomm noch gelbliches Licht. Ich hörte , wie die Tür aufging und ein Mann eiligen Schritts in Richtung Achterdeck lief. Er fluchte in derbem Bayrisch, ich verstand etwas von »Ochsen« und »Hirschen« und war mir sicher, er meinte die Band. An der Reling über uns sah ich die Silhouetten einiger Gäste, starr mit ihren Drinks in der Hand. Wie elektrische Puppen, die darauf warteten, dass jemand den Strom anschalten und ihre Glieder wieder in Bewegung bringen würde. Plötzlich verstummten auch die Schiffsmotoren.
    Eins der Paare, das sich vorhin geküsst hatte, lachte.
    »Ein Stromausfall auf einem Schiff!«, stöhnte Vera. »Das gibt’s doch gar nicht.«
    »Was weiß ich. Die Sicherungen wahrscheinlich.«
    »Vielleicht ist die Batterie kaputt.«
    »Keine Ahnung. Haben solche Schiffe überhaupt eine Batterie?«
    Ich befühlte mit der rechten Hand meine Jackentasche. Die Ecken des Kästchens zeichneten sich spitz unter dem Stoff ab.
    »Die Band hat zu laut gespielt«, sagte Vera. »Das hat bestimmt die Sicherungen rausgehauen.«
    »Ist doch jetzt egal. Warum warten wir nicht einfach ab, was passiert? Ist doch ganz schön hier.«
    »Es muss die blöde Band gewesen sein.«
    »Wieso sagst du jetzt ›blöd‹? Weil es meine Idee war?«
    »Entschuldige, vergiss das ›blöd‹. Aber sie sind halt be stimmt schuld.«
    »Das kann gar nicht sein.«
    »Warum nicht?«
    »Weil sie ihren eigenen Generator haben.«
    »Der Kapitän war schon sauer auf dich, weil sie zu laut gespielt haben.«
    »Sauer auf mich?« rief ich etwas zu laut. Ich hatte das Gefühl, dass sich in der Dunkelheit Köpfe nach uns umdrehten.
    Mit einem Ruck nahm ich das Kästchen aus der Tasche und wog es in der Hand, die glatte Oberfläche war aus Plastik. Schwarzes Plastik, es kam mir im Augenblick etwas zu billig vor. Ich hätte stärker auf das Kästchen achten sollen, dachte ich ärgerlich, es hätte genauso sorgfältig ausgewählt sein müssen wie der Ring, dachte ich. Vera neben mir fröstelte. Meine Rechte umklammerte das Kästchen fester, nur Zentimeter von Veras Bein entfernt. Die Ecken bohrten sich in meine schwitzige Handfläche. Mit einer beiläufigen Bewegung der Linken öffnete ich den Deckel, nahm den Ring heraus, ließ das Kästchen verschwinden und legte den Ring auf meine offene Handfläche, direkt zwischen uns. Es kam mir so vor, als sei dort ein winziges Blinken oder Blitzen des Steins zu sehen, vielleicht eine Reflexion von Sternenlicht, aber vielleicht bildete ich mir das auch nur ein. Vera hatte es ganz sicher noch nicht bemerkt. Sie sah zu den Lichtern des Ufers hinüber, die kaum heller waren als die Sterne über uns. Aufgespannt in der Schwärze ringsum schienen all die Lichtpunkte dem gleichen leeren Raum anzugehören, auch der helle Stern, dessen goldene Färbung sich auffällig von den anderen abhob. Vielleicht war es sein Glanz, den ich auf dem Stein gesehen hatte. Ein Glücksstern.

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