Die Konkubine des Erzbischofs
dem ich die Ehre hatte, einige Monate hören zu dürfen, und bereite dieselbe wie einen Fasan mit einer Tunke aus Zucker und Senf zu.«
»Was wird Herr Wido dazu sagen!«, erschrak Bruder Paul und riss die Augen weit auf.
»Du brauchst keine Angst zu haben, Bruder«, beruhigte ich ihn und dachte daran, dass mein Meister mich stets ermahnt hatte, nie Angst vor der Autorität von Menschen zu haben. »Herr Wido wird sich nicht getrauen, gegen das Wort von Bruder Thomas von Aquin Einspruch zu erheben.«
»Gott stehe mir bei«, murmelte Bruder Paul, schlug ein Kreuz und wuchtete seinen Körper wieder in die Küche.
Als wir uns dann nach der Sext zur Mittagstafel begaben, stellte ich freudig erstaunt fest, dass nicht nur Magister Albertus, sondern wir alle uns an dem schmackhaften Federvieh laben konnten. Es duftete herrlich, denn Bruder Paul hatte, meinem Rate folgend, jene Tunke aus Zucker und Senf bereitet, die ihresgleichen sucht.
»Was hast du mit dem Fisch gemacht?« fragte ich Bruder Paul leise. »Der war doch, dem Gestanke nach zu urteilen, schon fast fertig zubereitet.«
»Weggeworfen«, antwortete er und strahlte dabei über seine beiden rosaroten Backen. Doch sein Grinsen erfror, als er den harten Blick unseres Abtes, des besagten Herrn Wido, spürte.
Herr Wido entstammte einer reichen Kaufmannsfamilie im Norden – er gab den Namen nicht preis, da er sich gegen ihren Willen zum Dienst an Jesus Christus berufen gefühlt hatte und in den Bettelorden eingetreten war, während sein Vater ihn als den ältesten Sohn zum Nachfolger in dessen Geschäft auserkor. Herr Wido musste sich sogar gefallen lassen, dass ihn der Vater gefangen nehmen und für ein Jahr entführen ließ. Aber während des Jahres, das der Vater Herrn Wido unter Aufsicht gestellt hatte, ließ er sich nicht vom Glauben abbringen, und schließlich musste der Vater ihn ziehen lassen. Dieser Kampf zwischen Vater und Sohn hatte vielerlei Spuren in Herrn Widos Seele und auch auf seinem Gesicht hinterlassen: Da war die Härte um den schmalen Mund, die nötig war, um der Gewalt zu widerstehen. Da war auch die Trauer in den dunkelbraunen Augen, die den Sohn kennzeichnet, wenn er dem Willen des Vaters entgegenhandelt. Vor allem aber war da ein großes Verständnis für die freie Entscheidung eines jeden Menschen, weil diese allein dem gottgegebenen Gewissen verpflichtet sei und darum von allen Christenmenschen mit Würdigung behandelt werden müsse. Herr Wido war eher sich selbst als anderen gegenüber unerbittlich und dies drückte sich in seinem starken Körper mit den kantigen Formen vorzüglich aus.
»Oh, wie lecker«, freute sich hingegen Bruder Albertus. »Lässt uns unser Gedächtnis so sehr im Stich? Uns war, als müsste heute Freitag sein.«
»Heute ist Freitag«, warf Herr Wido scharf ein, indem er das Wort »ist« betonte.
Magister Albertus ließ es sich, als habe er nichts gehört, geräuschvoll unter lautem Schlürfen und Rülpsen mit großem Genuss munden und alsbald eiferten ihm die anderen Brüder darin nach. Ausgesprochen gierig gingen, wie stets, die Novizen ans Werk, und mir fiel besonders einer auf, der den Namen Gerhard trug, weil seine Haltung doch sehr zu wünschen übrig ließ. Nur Herr Wido, der einzige, der würdevoll und aufrecht dasaß, rührte die Speise nicht an.
Bruder Paul wand sich unter dem Blick unseres Abtes und stammelte: »Es ist so, ehrwürdiger Vater, ich habe … mit Bruder Johannes … es ist so … Bruder … äh …wie hieß er noch? … bitte, Bruder Physikus, erkläre du, bitte …«
»Gern, Bruder Paul«, sagte ich mit einem großen Bissen im Mund. Schnell nahm ich noch einen Schluck Wein, mit dem ich den Mund leer spülte. Um meinen Worten größeres Gewicht zu verleihen, stand ich auf. »Ehrwürdiger Vater, ich hatte ehedem das Glück, bei Magister Thomas von Aquin, einem Schüler unseres verehrten Bruders Albertus, in Paris zu hören. Magister Thomas hat statuiert, dass die Rohrdrommeln ihres Lebenswandels wegen unter die Fischen zählten und darum auch freitags um des Herrn willen durchaus zu genießen seien.«
Herr Wido entgegnete nichts, begann jedoch auch nicht mit dem Essen. Wir anderen aber verspürten gar wenig Neigung, uns dadurch in unserem Glücke beeinträchtigt zu sehen.
Ein Bruder – ich meine, es sei Willelmus gewesen – sagte in die Runde: »Beeilt euch, Brüder, es ist kundgetan worden, dass Bruder Emund von Regensburg auf dem Neumarkt noch vor der Non eine große Predigt halten
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