Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Konkubine des Erzbischofs

Die Konkubine des Erzbischofs

Titel: Die Konkubine des Erzbischofs Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefan Blankertz
Vom Netzwerk:
weil er sich gewünscht hätte, die beiden Scholastiker Thomas und Siger würden sich gegen den unheilvollen Einfluss der Franziskaner verbünden, die das Studium der Schriften des Aristoteles zu verbieten trachteten.
    Während nun Siger und die anderen Magister am Tage den Hunger der Studenten nach Wahrheit stillten, befriedigten Ingeborg und ihre Freundinnen des Nachts denjenigen nach Fleischeslust. Zu selbigem Zwecke unterteilten sie den Raum mit leichten Vorhängen. Ingeborg war beliebt unter den gebildeteren Studenten, denn sie hatte es sich zur Gewohnheit gemacht, den letzten Disputationen des Tages beizuwohnen, um auch ein paar Worte mit ihren Gästen wechseln zu können. Mehr noch jedoch, so nehme ich an, war ihre Beliebtheit darauf zurückzuführen, dass Meister Arab sie in morgenländischer Liebeskunst unterwiesen hatte. Während sich die meisten Studenten gierig auf die Weiber warfen und einem Wettlauf gleich zum Ziele strebten, wusste es Ingeborg besser als diejenigen ihrer Freundinnen, die es mit sich geschehen ließen, weil sie derart in der Lage waren, mehr Kundschaft zu bedienen. Meister Arab aber lehrte, dass die »unverzügliche Wollust«, wie er es nannte, nicht nur die wahre Freude unterbindet, sondern sowohl beim Manne als auch beim Weibe zu der schweren und bisweilen sogar tödlich verlaufenden Krankheit führt, die »Edica« genannt wird. So zündete Ingeborg ihre Besucher zuvor mit liebreizenden Worten und schmeichelhaften Zärtlichkeiten sorgfältig an und kannte für einen jeden die angemessene Stellung. Ingeborg hütete das Geheimnis, wie sie die übereiligen Buben zügeln konnte, und weil das deren Labsal nur erhöhte, nahm sie aufs Ganze gesehen mehr ein als ihre schnellen Freundinnen.
    Ich tue dies dar, weil ich nicht möchte, dass man das Erstaunen und Erschaudern über das, was ich an jenem Tage mitansehen musste, einer übergroßen Empfindsamkeit oder mangelnder Kenntnis fleischlicher Dinge zuschreibt. Ingeborg begrüßte nun also einen hageren, bärtigen Studenten, der um einige Jahre älter war als ich. Er war groß und muskulös und trug ein gutes teures Gewand in blauer Farbe über seinem gelben Hemd, Schuhe mit einer sehr langen Spitze sowie eine rote Mütze auf dem Kopf. Mitten in seinem einfältigen Gesicht befand sich eine lächerlich kleine Stupsnase, als sei sie dort nur zu Besuch. Ich kannte ihn nicht und nahm an, er habe vielleicht schon das Studium der Theologie aufgenommen. Er machte einen so wohlhabenden Eindruck, dass ich vermutete, er müsse sich nicht wie ich seinen Unterhalt durch das Kopieren von Büchern verdienen – alldieweil ich mich darüber nicht beklagen sollte, denn dergestalt genoss ich den Vorzug, wohl mehr Bücher als alle anderen zu Gesicht zu bekommen. Ingeborg schien den Gast anders als mir schon vertraut.
    »Ah, mein vom Schicksal so schwer gebeutelter Freund«, begrüßte sie ihn auf Diutisch, denn die Studenten kamen aus aller Herren Länder und nicht jeder lernte wie ich die Landessprache gut, so dass Ingeborg sich anheischig machte, zu ihnen zu sprechen in der Weise, wo sie also herkamen. Sie umarmte ihn kurz und drückte ihm einen Kuss auf die Wange, jedoch nicht in der Art einer Buhlerin, sondern in der einer liebenden Mutter. Der Student dagegen blieb stumm. Nur seine geweiteten wässrigen Augen wanderten unschlüssig hin und her.
    »Bei mir«, sagte Ingeborg und blickte ihn dabei fest an, »müsst Ihr Euch nicht schämen. Für nichts. Nicht einmal der gütige Vater im Himmel schaut Euch hier zu.«
    »Gott fürchte ich nicht so sehr«, flüsterte der Student mit dunkler Stimme und wandte seinen Kopf ab, wohl um ihrem Blick zu entgehen, »denn ich weiß, er ist barmherzig.« Offensichtlich wusste er dagegen nicht, wohin mit seinen Händen, die er fahrig mal vor dem Bauch faltete, mal die Arme seitlich hängen ließ oder gar auf den Rücken legte und sich dabei vorbeugte wie ein alter Mann.
    »Wer also sitzt Euch im Nacken?«, fragte Ingeborg und strich, um ihren Gast zu beruhigen, vorsichtig über seinen Hals. Mit einem leichten Druck ihrer Hände brachte sie ihn dazu, sich auf die Bank zu setzen, und nahm dicht neben ihm Platz.
    »Wenn ich seinen Namen nenne, wird das die ganze Sache verderben«, weinte der Student, um dann in einer heftigen Gebärde seine Arme nach oben zu reißen, fast als wolle er Ingeborg schlagen. »Und du bekämest dann auch nichts.«
    Ingeborg aber war geübt und ließ sich nicht aus der Ruhe bringen. »Wenn Ihr es

Weitere Kostenlose Bücher