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Die Konkubine des Erzbischofs

Die Konkubine des Erzbischofs

Titel: Die Konkubine des Erzbischofs Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefan Blankertz
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nicht sagt«, beharrte sie, ohne ihn aus dem Blick zu entlassen, »werdet Ihr auch keine Freude empfinden können. Denn Lust und Angst verhalten sich so gegensätzlich zueinander wie Himmel und Hölle.«
    »Pah«, machte der Student verächtlich, zog den Mund schief und schloss seine Lider, »was braucht es eine Hölle, wenn man einen solchen elenden Schlappschwanz wie Richard zum Vater hat!«
    »Aha!«, rief Ingeborg aus. Sie vollführte eine ausladende Bewegung mit den Armen und Händen. »Da haben wir es. Euer Vater, wo hält er sich nun auf?«
    »Wo wohl?« erwiderte der Student ungehalten, wobei er die Augen endlich wieder öffnete. »In Regensburg!«
    »Das ist so weit«, beruhigte ihn Ingeborg gütig, »dass nicht einmal ich diese Stadt kenne.«
    »Wenn meine stolze Mutter es sehen könnte …«, heulte der Student und wischte sich übers benetzte Antlitz. »Ich schäme mich so.«
    »Wenn es sie nicht gäbe, könntest du dich auch nicht erfreuen, denn dann wärst du nicht da«, sagte Ingeborg zärtlich.
    Der Student wurde darob wieder roh und lief zornrot an. »Dieses ganze Geschwätz«, wütete er, »von: Du sollst Vater und Mutter ehren widert mich an! Mir ist zum Erbrechen! Der Magen dreht sich mir um! Ich möchte mich entleeren auf diesem Pack!«
    Nun war es Ingeborg, die nichts sagte. Ich dachte schon, sie gebe auf und würde ihren Gast entlassen, ohne dass etwas geschehen sei. Doch dann beobachtete ich, wie sie sich einen Schuh vom Fuße zog und ihm diesen reichte. Ich verstand diese Geste nicht und konnte mir keinen Reim darauf machen.
    Der Student nahm den dargebotenen Schuh mit der linken Hand entgegen, während er sich mit der rechten Hand entblößte. Dann holte er seinen erstarkten Lyedemyt hervor und benutzte den Schuh, als wäre er ein weibliches Vogelhuß. Seine Stöße wurden immer heftiger und schneller, ganz so, als vollzöge er einen normalen Akt der Unkeuschheit, bis er sich in den Schuh von Ingeborg ergoss. Dabei gab er jedoch keinen einzigen Laut von sich. Ingeborg schaute ihm mitfühlend zu. Währenddessen hielt ich erstarrt den Atem an und konnte nicht fassen, was ich da sah.
    Alsdann richtete sich der Student wieder auf, brachte seine Kleider in Ordnung und schnippte Ingeborg drei Deniers hin, einen mehr, als sie verlangte. Hastig verließ er den Ort.
    Ingeborg steckte die Münzen ein, trocknete ihren Schuh, seufzte und sagte zu sich: »Oh, was ist er nicht für ein armer Götzenjäckel!«
    Darum also hatte sie mir dieses Mal das Spähen untersagt – um meiner zarten Seele diesen absonderlichen Anblick zu ersparen! Ich wartete, bis Ingeborg ging, um ihren nächsten Gast zu begrüßen, bevor ich wie betäubt hinter dem Vorhang hervorzukommen wagte und mich auf den Weg dorthin machte, wo Meister Arab, sein treuer Begleiter Ibrahim und ich unsere Bleibe hatten: auf der Petit-Pont, der Brücke, die das linke Seineufer mit der Îlle de la Cité verbindet, in unmittelbarer Nachbarschaft zum Hôtel-Dieu, einem Krankenhaus, in welchem Meister Arab ob seiner alles überragenden sarazenischen Heilkunst oft als Physikus aushalf. Ein Stückchen weiter legten Steinmetze letzte Hand an die vollkommenste Kirche zu Ehren der Gottesmutter mit Namen Notre-Dame, um sie in nächster Zukunft zu vollenden. Zu Hause angekommen, traute ich mich nicht, mit meinem Meister über das Vorgefallene zu sprechen.

    Gewiss wäre meinem Gedächtnis diese kleine Begebenheit meiner Jugend entglitten, wenn nicht viele Jahre später unglaubliche Geschehnisse in meiner Mutterstadt Köln, wohin ich auf mancherlei Umwegen, zweiundzwanzig Jahre alt, im Jahre des Herrn 1274 nach dem Tode meines geliebten Meisters Arab zurückgekehrt bin, sie mir schmerzlich in Erinnerung gerufen hätten. Selbige bringe ich der Welt zur Kenntnis, auf dass ein jeder gewarnt sei vor dem sündigen Hochmute, den diejenigen zur Schau tragen, die da meinen, über ihre Mitmenschen zu Gericht sitzen zu dürfen, anstatt, wie es gottgefällig wäre, dies dem obersten Richter zu der von ihm gewählten Stunde zu überlassen. Denn der Herr spricht: »Die Rache ist mein.«
    Wer mich nun aber fragt, warum ich so viele Dinge darlege, die die Menschen eigentlich voreinander geheim halten, weil es sie nur im Zwiegespräch mit Gott und seinen Stellvertretern bei der heiligen Beichte zu erörtern gilt, so antworte ich, dass nämlich erst in jüngster Zeit gewisse Leute alle Barmherzigkeit fahren lassen und statt dessen meinen, den Lebenswandel anderer beurteilen

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