Die Konkubine des Erzbischofs
ging hier vor, das ich nicht durchschaute. Aber mein Stand verbot es mir, danach zu fragen.
Für den nächsten, klirrend kalten Tag hatte El Arab sich etwas Besonderes für meine hohe Herrin ausgedacht. Er besuchte mit ihr die jüdische Mikwa, das Bad der rituellen Reinigung. Es ist ausschließlich Juden vorbehalten und daher ranken sich unter uns vielerlei blutige Gerüchte um das Bad. Die einen sagen, es sei ein Ort der Unkeuschheit, die anderen, es fänden dort grausame Menschenopfer statt. El Arab hatte mit dem Rabbi gesprochen und ihn irgendwie überzeugt, ihm und der hohen Herrin Zutritt zu gewähren. Misstrauisch? Ich?
Da Magdalenas Köchin krank danieder lag, trug ich Johannes, meinen Sohn, bei mir und hoffte, dass er weder die Gespräche der Herrschaften durch ungebührliches Schreien stören noch mich darin behindern möge, meiner Herrin zur Hand zu gehen, wenn dies erforderlich war.
Als El Arab nun mit vor Frost steifen Fingern an die Tür der Synagoge klopfte, sagte er: »Hoher Rabbi, wir kommen als Freunde und ohne Arg im Herzen.«
Der Rabbi antwortete, während er die Tür öffnete: »Für mich ist am wichtigsten, dass Ihr ohne Waffen kommt.«
»Ist es nicht eigenartig«, sagte El Arab, »dass der Glauben, in dessen Buch geschrieben steht, man solle seine Feinde lieben, den Hass predigt, während Ihr, die Ihr in Eurem Buch vielerlei Gewalt habt, so außerordentlich friedfertig seid?«
»Wollen wir disputieren? Nein, herzlich willkommen sind mir alle, die reinen Herzens sind. Herr Averom, die Edelfrau und ihre Magd.«
»Warum nicht disputieren«, beharrte El Arab. »Das ist die rechte Gruppe dafür: der Jude, die Christin und ich als Philosoph.«
»Man sagt uns Juden nach, geschwätzig zu sein, Herr Averom; von Euch aber können wir noch etwas lernen. Nun tretet ein.«
Der schwarzgekleidete Rabbi mit seinem langen dunklen Bart, ein kleiner sehniger Mann, der sich trotz seines wohl recht hohen Alters behänd bewegte und dessen kleine Augen merkwürdig anziehend glitzerten, führte uns in die Mikwa, wie er El Arab es versprochen hatte, und redete zu uns über deren Sinn:
»Das Wort Mikwa bedeutet in unserer Sprache soviel wie Sammlung . Die Mikwa enthält nach Vorschrift drei Ellen Wasser in der Höhe auf eine Quadratelle. Es darf kein Wasser enthalten sein, das zuvor in einem Behälter gefüllt ward. Also liegt unsere Mikwa, die schon zur Zeit des alten römischen Reiches erbaut worden ist, tief genug, um durch Wasser vom Grunde gespeist zu werden. Entsprechend der über die Mikwa im Talmud niedergelegten Vorschriften dient das Wasser zu rituellen Handlungen wie der Reinigung, wenn wir mit Toten in Berührung gekommen sind, sowie nach dem Monatsflusse der Frauen.«
Meine hohe Herrin gebärdete sich in dieser ihr gänzlich fremden Welt zuerst zurückhaltend. Dann aber, als sie die gläubige Inbrunst der Gastgeber ebenso wie deren Lebenslust kennenlernte, stimmte sie mit El Arab in das angeregte Gespräch ein.
Für eine Weile gelang es ihnen nämlich hier bei den Juden, den rätselhaften Mord, der geschehen war, zu vergessen, und sie ließen sich sorglos treiben: Fast war es mir, als ob sich mein Traum in der Kirche verwirklichen sollte, der Traum, in ein Land zu gelangen, in welchem die Menschen friedlich und gemeinsam Gott für seine Gaben danken. Konnte es sein, dass dieses Land in Köln lag?
»Ich kenne den Spruch Eures Avicennas«, sagte der Rabbi zu El Arab. »Den Spruch von den drei Betrügern , mit denen er Moses, Christus und Mohammed meinte.«
»Er wird ihm, wohl fälschlich, unterstellt.«
Ich bemerkte, wie ein Schatten ehrlichen Unwillens über El Arabs Gesicht huschte, ohne dass ich mir den Grund erklären konnte. El Arabs Seele blieb mir verschlossen.
»Gleichwohl könnte er von ihm stammen, er entspricht seiner Geisteshaltung«, beharrte der Rabbi. »Denn ihm zufolge erkennen wir Gott durch die Vernunft und nicht durch den Glauben, wie es jene Genannten auf je verschiedene Art bezeugten.«
»Oder er stammt von Eurem Moses Maimonides«, gab El Arab nun wieder leicht belustigt zurück. »Keiner vor ihm hat wie er die Vernunft an die Stelle des Glaubens gesetzt.«
»Auch hier an der Universität gibt es jemanden, dem ich einen solchen lästerlichen Gedanken zutraute, Magister Albertus ist sein Name«, wehrte der Rabbi ab. »Magister Albertus zeichnet das Bild eines Gottes, zu dem auch wir uns, ebenso wie unsere Brüder, die Jünger des Propheten, bekennen könnten. Was meint
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