Die Konkubine des Erzbischofs
an.
Der Rabbi unterbrach ihn aber scharf: »So sagen uns unsere Feinde nach.«
»Verdammt, ich bin nicht Eurer Feind«, bekräftigte El Arab unwirsch. »Wenn Ihr in Geld denkt, denke ich in Macht. Das ist auch nicht besser. Aber erfolgreicher. Und Ihr müsst zugeben, dass Ihr zwischen der Partei des Erzbischofs und der Partei der Bürger ein Unterpfand werdet, das allzu schnell hergegeben werden wird, wenn jemand sich daraus einen Vorteil reimt.«
»Wir stellen das betrübt fest. Es ist jedoch unsere Sache nicht, uns dort einzumischen. Selbst wenn das unsere Sache wäre: Was sollten wir tun?«
»Ihr könntet vermitteln! Wollt Ihr das denn nicht, verflixt, begreifen?« El Arab sprach, wie mir schien, allzu heftig.
»Euer Vorschlag zeigt, wie sehr Ihr unseren Einfluss überschätzt. Wir sind froh, dass uns der Erzbischof am Leben lässt. Er ist nicht jemand, der auf uns hören würde. Wenn es einen Menschen gibt, auf den beide Seiten hören, so ist das der besagte Magister Albertus. Wir wünschen uns sehr, dass sie Frieden schließen mögen, denn dass deren Frieden auch unser Frieden ist, wissen wir nur zu genau. Und wenn es einen Menschen gibt, der Einfluss auf den Erzbischof hat, um ihn geneigt zu machen, den besagten Magister als Schiedsrichter anzuerkennen, dann seid Ihr es, hohe Frau.«
Rief El Arab wirklich zum Aufstand gegen den Erzbischof auf? Meinen Bruder schien er ebenso vergessen zu haben wie die Tatsache, dass er als Gast in einem Hause lebte, das dem Erzbischof gehörte. So verletzte er das Gastrecht und meine hohe Herrin ließ es geschehen. Von ganzem Herzen wünschte ich, dass Konrad fallen möge, wenn auf diese Weise das Leben meines Bruders gerettet werden konnte. Aber ich verstand nicht, was im Kopfe von El Arab vor sich ging.
Das Gespräch zwischen dem Rabbi, meiner hohen Herrin und El Arab wäre vermutlich endlos fortgeführt worden, hätte sich nicht unerwarteter Besuch angekündigt.
Zaghaft trat eine Gestalt ein, schluchzend, ein Mönch, eingehüllt in seine Kutte. Ein alter gebeugter Mann. Keiner wollte recht glauben, was wir dann zu Gesicht bekamen: Es war Pater Bueno.
Pater Bueno warf sich vor der hohen Herrin auf den Boden und küsste ihre Füße. Mit erstickter Stimme sagte er dann, immer noch vor ihr kniend: »Wohl weiß ich, dass Ihr allen Grund habt, mich ungehört fortzuschicken, weil ich gesündigt habe wider Euch. Möge Gott mich dafür bestrafen; aber Ihr, edle Frau, bitte verzeiht mir nur einen Augenblick, um mich anzuhören. Die Enkeltochter meines geliebten Bruders ist schwer krank. Fieber hat sie seit Tagen, und Ohnmacht überfällt sie. Gleichviel sie ohne Hunger ist, plagt sie gar großer Durst. Sobald sie berührt wird, verspürt sie Schmerz, und ein Knurren und Gurgeln dringt aus ihrem Unterleibe. Ihr tut das Rückgrat weh. Sie kann kein Wasser lassen, es sei denn blutrot gefärbtes. Vor Unruhe wirft sie sich hin und her. Bauch und Oberschenkel sind geschwollen, und wir sehen ihren nahen Tod voraus. Jeder in der Stadt sagt mir, dass nur Ihr vom Herrn die Kraft habt, sie zu heilen. So bin ich hier, um meine Ehre vergessend Euch anzuflehen, in das Haus meines Bruders zu kommen und Euch der Kranken anzunehmen.«
»Gütiger Gott«, murmelte El Arab, bekreuzigte sich und wich ein Stück zurück.
Meine hohe Herrin aber hob Pater Bueno auf und sagte: »Bitte, Bruder, steht aufrecht vor mir. Wäre Gott wahrhaft größer und gütiger als wir, wenn er uns unsere Gemeinheiten, die wir gegeneinander hegen, nicht verzeihen würde? Und hätte er mir die Kraft des Heilens gegeben, wenn er nicht wissen würde, dass ich sie in seinem Sinne allen Menschen zukommen lassen werde, ohne kleinlich auszuwählen nach meinem eigenen Vorteile? Kommt, Bruder, wischt Eure Tränen ab, fasst Hoffnung und weist mir den Weg.«
K A P I T E L V
»Wo die Liebe wohnt, wohnt Gott.«
Augustinus
So begab es sich nämlich, dass meine hohe Herrin hinter Pater Bueno durch die verschneite Obere Marspforte über den Steynweg zur Armenstraße lief, um zum Haus seines Bruders zu gelangen, in welchem dessen junge Enkeltochter krank lag. El Arab aber blieb aus starrsinniger Abneigung gegen Pater Bueno zurück, eine Abneigung, die nicht einmal Barmherzigkeit zu überwinden vermochte.
Die Unglückliche, Teresa mit Namen, befand sich in ihrem ärmlichen Bette aus Stroh, das sie nach Auskunft der Verwandten seit Tagen nicht verlassen hatte. Sie war nicht aufgestanden, noch hatte sie Nahrung zu sich genommen.
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