Die Konkubine des Erzbischofs
Wollte ihr jemand hoch helfen oder sie untersuchen, schrie sie, dass man sie in Stücke reißen würde. Ihr Gesicht hatte schon die Züge und die blässliche Farbe des Todes angenommen. Magdalena hob die klamme Decke an und besah sich die Schwellungen von Bauch und Oberschenkeln. Es stank widerlich. Die Kranke hatte sich wohl seit Tagen ihrer Notdurft an Ort und Stelle entledigt.
Da die Kranke niemanden um sich haben konnte, standen die Verwandten, die bei ihr wachten, in größerem Abstand. Alle waren, soweit ich es in der Dunkelheit erkennen konnte, in grobem, grauem Stoff gekleidet. Die Mutter, offensichtlich kaum halb so alt wie der Sohn von Pater Buenos Bruder, ihr Gatte und Vater des Kindes, weinte still. Dies schien ein Haus zu sein, wie auch ich es aus meiner Kindheit kannte. Das Haus meines Vaters glich diesem hier äußerlich, jedoch wurde es besser geführt. Hier diente Stroh, das auf der gestampften Erde lag, als Ruhestätte, während mein Vater und meine Brüder, da sie ja Zimmerleute waren, die Erde mit harzigen Bohlen abgedeckt und zwei große, schön verzierte Betten aus Holz gefertigt hatten. In der Mitte des Raumes von Teresas Leuten befand sich ein Tisch und zum Sitzen gab es nur abgesägte Baumstümpfe. Die Fensteröffnungen waren abgedeckt, so dass es bei geschlossener Tür recht dunkel war. Trotz der Dunkelheit sah man den Ruß des Herdfeuers an den gekalkten Wänden hängen, denn man hatte den Schornstein zu gering bemessen.
Nachdem Pater Bueno eingetreten war, wandte er sich an seinen Bruder, Teresas Großvater, und sagte schlicht: »Ich bringe Hilfe, geliebter Bruder.«
Der Bruder, ein freundlicher, einfacher Mann, der Pater Bueno ähnlich sah, aber kräftiger gebaut war wegen des Tagewerkes, dem er als Gerbergehilfe nachging, nahm ihn, ohne ein Wort über die Lippen bringen zu können, in den Arm und hielt ihn eine Weile.
Die hohe Herrin wies mich an, alles für ein Bad vorzubereiten, wie ich es von ihr kannte. Weil dieser armselige Haushalt jedoch ein armes Haus war, das der nötigen Gerätschaften entbehrte, musste ich einen Badezuber herbeischaffen lassen sowie zwei Kessel, um ausreichend Wasser auf dem Feuer erhitzen zu können. Aus der Krohn-Apotheke ließ Magdalena Nieswurz, Portulak, Bingelkraut, Beifuß und Anemone holen, die dem Badewasser beigegeben wurden, sowie Gänsefett. Die hohe Herrin aber ermahnte mich zur Eile, während die Mutter der Kranken meinen geliebten Sohn hielt.
Als ich dergestalt meine Aufgaben erledigte, breitete die hohe Herrin die Arme aus und hieß alle Anwesenden, sich ganz still zu verhalten. Sie begann dann zu summen, erst leise und dann immer lauter. Es war ein sehr dunkler, monotoner Klang, der aus einer Tiefe kam, die sehr viel tiefer reichte als sie selbst. Dabei wiegte sie ihren Oberkörper vor und zurück. Während sich zunächst Finsternis im ganzen Zimmer ausbreitete, ging, mit zunehmender Lautstärke des Summtones, ein blaues Leuchten von der Kranken aus. Meine Herrin aber erstrahlte wie das lodernde Licht des Höchsten.
Kaum merklich formten sich also Worte aus dem Summtone: »Wie der Vogel fliegt, so sprechen wir. Wie der Wolf jagt, so schlafen wir. Wie Gott denkt, so versagen wir. Habe ich nicht Hände, um zu denken? Ist mein Kopf nicht geeignet, um Lasten zu tragen? Weist mir nicht die Nase die Himmelsrichtung? Habe ich nicht einen Mund, um damit zu schweigen? Sind meine Augen denn für immer geschlossen? Ist es die Aufgabe meines Geschlechts, untätig zu sein? Wohin also sollen mich meine Füße tragen?«
Als nun der Badezuber mit dem heißen Heilwasser neben ihrem Bette aufgestellt ward, schwebte die Kranke, getragen von dem Summen der hohen Herrin, hinüber, ohne dass jemand Hand an sie legte und ohne dass sie sich selbst bewegte. Die hohe Herrin trat hinzu, entblößte sie und begann, nachdem sie ihre Hände in das Fett getaucht hatte, eine Stelle im oberen Bereich der Schamlippen zu massieren. Das blaue Leuchten wich langsam wieder dem natürlichen Farbtone. Dabei summte die hohe Herrin unaufhörlich weiter, bis das Mädchen von einem heftigen Schütteln ergriffen wurde und sich das gestaute Blut von vielen Monaten, gemischt mit Eiter, in das Badewasser ergoss. Mit einem Schrei warf Teresa die Todesstarre ab und brüllte wüst: »Ich habe Hunger!«
Die hohe Herrin zog sich bescheiden zurück und überließ es der glücklichen Mutter, das Mädchen zu erquicken. Sie ermahnte die Mutter jedoch, der Genesenden die nächsten Tage nur
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