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Die Konkubine des Erzbischofs

Die Konkubine des Erzbischofs

Titel: Die Konkubine des Erzbischofs Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefan Blankertz
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Lauf im Geschlechtlichen, dann geschieht ihnen kein Übel. So wie der Hunger nach Nahrung den Körper zerstört, wenn er zu lange andauert, so kann auch der Hunger nach Fleischeslust den Menschen an Körper und Geist erkranken lassen, wenn ihm das, was er liebt, zu lange entzogen wird. Unsere ersten Kirchenväter haben dies noch besser gewusst als wir heute. Dass nämlich die Verhalnüß, wie auch Avicenna sagt, zu argen Krankheiten führt, ist wohlbekannt. Noch heute gibt es, obwohl der Zölibat von Amts wegen als durchgesetzt gilt, Gemeinden, die da befinden, dass ihr Geistlicher, so wie das zu alten Zeiten allgemein üblich war, eine Frau haben sollte, damit er nicht hinter den Frauen anderer Männer hersteigen möge.«
    »Du zeigst mir, dass ich im Christentum nicht so bewandert bin, wie ich es glaubte, denn dies ist mir neu. Das beschämt mich aufs Tiefste.«
    »Beschämt es dich, von einer Frau belehrt zu werden? Denn belehrt worden musst du schon sein, weil du gelehrt bist. Ich kenne mich nicht in den Lehren des Propheten aus, so wie du dich in unseren Lehren auskennst, darum weiß ich nicht, wie ihr es mit den Frauen haltet. Wir jedoch haben unsere gelehrten Frauen, wenn auch wenige, so doch überragende wie die besagte Hildegard von Bingen, auf die wir, wie ich meine, sehr stolz sein können, hat sie nicht nur den Herrn geschaut in Visionen, die keinem Menschen zugänglich sind, sondern auch Kenntnisse der heilenden Natur, wie sie kein anderer vor ihr hatte, auch euer Avicenna nicht.«
    »Über Hildegard ließe sich sicherlich streiten, oder besser gesagt über den Sinn der mystischen Theologie. Unbestreitbar aber scheint auch mir, dass sie einen überlegenen Geist hatte und dass ihr Wissen um die Kräfte der Natur in der Tat den Lehren unseres Avicennas hinzugefügt werden muss, damit unsere heilenden Fähigkeiten umso größer werden.«

Die Gespräche der Liebenden dauerten an, aber da sie völlig mit sich beschäftigt waren, glaubte ich nicht, dass sie meine Dienste noch nötig hatten oder auch nur daran gedacht hätten, sie nachzufragen. Darum erlaubte ich mir, mich mit Johannes, meinem geliebten Sohne, in die Gesindekammer zurückzuziehen, noch bevor die Herrschaften schliefen. Überdies fiel mir ein, dass die hohe Herrin mir ja ohnehin freigegeben hatte.
    Zunächst war es mir ein unabweisbares Bedürfnis, dem Herrn zu danken: zu danken vor allem dafür, dass er mir einen ehrenhaften Bruder wiedergegeben hatte. Er war kein Mörder, kein Betrüger und kein Hurenbock. Er hatte dem Hufschmied die Schuld in ehrlicher Münze zurückgezahlt. Und er hatte in christlicher Nächstenliebe einem Mädchen, das in Schande ein Kind erwartete, die Ehe versprochen; ein Versprechen, das einzulösen ihn nur die verständliche, aber ungebührliche Rache des Erzbischofs hinderte. Lieber Herr, es wäre schlimm, den Bruder zu verlieren. Schlimmer wäre es jedoch, wenn ein Familienmitglied wahrhaft Schande über alle bringt. . (Von meiner eigenen Schande wollte ich an dieser Stelle schweigen.)
    Nun war das geklärt. Wie aber sollte ich mich zu El Arab stellen? Meine Gedanken kreisten wieder und wieder um dieses Problem, ohne dass ich eine Lösung finden konnte. Mein Herz sagte mir beständig, dass ein Mann, der so lieben kann, kein schlechter Mensch ist. Das Wissen sagte meinem Verstande insgleichen, dass ich ihm nicht trauen durfte. Er hatte vermutlich den buckligen Grafen Dampierre ermorden lassen. Er kümmerte sich nicht um das Schicksal meines Bruders. Er hat mich belogen. Er hat uns alle hintergangen. Hat er gar den Hufschmied enthauptet? Selbst wenn ich ihn zur Rede stellen würde, wie konnte ich ihm dann glauben, was er sagte? Dagegen schien es die hohe Herrin nicht zu verunsichern, dass er ihr die Unwahrheit gesagt hatte. Sie hatte es als ganz natürlich hingenommen, dass er ein Anhänger Mohammeds war und nicht Christ, wie er die ganze Zeit behauptete.
    Oh, dieses Buch! Es war ein christliches Buch, wenn es auch ketzerische Gedanken zu enthalten schien. Dieses Buch wollte der Sultan El Arab in seinem Sultanat zum Glauben erheben. Vielleicht log er gar nicht, wenn er sich als Christ bezeichnete? Vielleicht war er ein moslemischer Christ? Oder ein christlicher Mohammedaner? Oder am Ende gar ein Jude? Jedenfalls hatte er einen verdächtig herzlichen Umgang mit ihnen … Und besaß er überhaupt besagtes Sultanat? Oder hatte er die hohe Herrin damit nur angelogen? Wollte er sie etwa beeindrucken mit seinem Reichtume,

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