Die Konkubine des Erzbischofs
aber auch schlagendste Grund, der mir einfiel. Wenn Paulina sich immer noch weigern würde, mir ihr Wissen preiszugeben, wüsste ich nicht mehr, was ich noch weiteres vorbringen sollte.
Paulina blickte zu ihrer schlafenden Tochter hinüber und schwieg. Schließlich sagte sie: »Nun gut, wenn Ihr dieses Wissen, wie Ihr sagt, dazu gebrauchen könnt, Rignaldo freizubekommen, werde ich es Euch also auch wider seinen ausdrücklichen Wunsch kundtun: Deine Brüder haben mit dem Hufschmied einen alten Zauber benutzt, um Hochwürden in ihre Macht zu bringen und ihm Gewalt antun zu können … na ja … sie haben ihn des Werkzeugs beraubt, mit dem er Euch und der ganzen Familie die Schande zugefügt hat.«
Das also war das schlimme Geheimnis, das meine Brüder mit dem Hufschmiede teilten: Um meiner Ehre willen war dem Erzbischofe die grausamste und beschämendste Rache zuteil geworden, die ihm Schmerz an dem Teile seines Körpers zufügte, mit dem er gesündigt hatte! Eine Rache, die ihn mit Scham und Schmach erfüllt haben musste! Hätte ich nicht mit hohem Lobe die anscheinende Gerechtigkeit preisen sollen, die meinem Schänder widerfahren war? Nein, denn es steht geschrieben, »die Rache ist mein«. Das heißt, wie der Apostel sagt, so viel wie: »Rächt euch nicht selbst.« So empfand ich eher Abscheu über die Tat und alsbald ergriff mich gar Mitleid mit dem Entmannten. Dergestalt verstand ich, warum Rignaldo, mein erstgeborener Bruder, gesagt hatte, der Erzbischof versuche das, was ihm angetan worden sei, sogar vor Gott zu verheimlichen. Steht doch geschrieben: »In die Versammlung des Herrn darf keiner aufgenommen werden, dessen Hoden zerquetscht sind oder dessen Glied verstümmelt ist.« Ein solcher Gräuel sind Eunuchen vor Gott. Keine guten Aussichten für die jenseitige Zukunft des Erzbischofs! Ebenso schadete es ihm im Diesseits, denn ohne Zweifel war dies der Grund, warum sich meine hohe Herrin und er nicht mehr erkannten.
Weil nun die Talion in diesem Falle ein Verbrechen ist, das wahrlich zu Recht mit dem Tode bestraft wird, begriff ich überdies, was Rignaldo gemeint hatte, als er mir sagte, er stürbe zwar nicht für die Sünde, die man ihm vorgeworfen habe, gleichwohl für eine andere todeswürdige Sünde.
Was für eine Genugtuung musste es für den Erzbischof bedeuten, meinen Bruder durch den Henker den Tod finden zu lassen! Hatte also der Erzbischof selbst den Hufschmied getötet oder töten lassen, um ihn für das Vergehen zu strafen, ohne die Tat und damit seine eigene Verstümmelung offenbaren zu müssen? Es war vielleicht diese Vermutung, die Peppino, meinen einst zärtlichen Bruder, dazu gebracht hatte, Köln den Rücken zu kehren: Wenn die beiden anderen, die an der Verschneidung beteiligt gewesen sind, schon der Rache des Erzbischofs zum Opfer gefallen sind, lag es nahe, dass er sich als nächstes Opfer sah. Dieser Gedanke tröstete mich sogar ein wenig, weil es dann nicht sein unerklärlicher Hass auf mich gewesen wäre, der ihn aus der Stadt getrieben hatte.
Die Vermutung, der Erzbischof stecke hinter der Enthauptung des Hufschmiedes, klang schlüssig, aber wie alle anderen Möglichkeiten erklärte sie nicht den abgeschlagenen Kopf vor dem Hause meiner hohen Herrin mit dem Pergamente und dem Siegel.
Schon von einiger Entfernung, bevor ich zum Hause meiner hohen Herrin kam, spürte ich einen Hauch, der von Engeln erzeugt wird. Meine innere Erregung und mein Ärger über El Arab wurden auf diese Weise verscheucht, weil ich wusste, dass das Bett die beiden Liebenden schließlich aufgenommen hatte.
Was für ein Unglück es doch war, dass dieses ersehnte Ereignis zu einer Zeit eintrat, in welcher mein Vertrauen in den Gast so tief erschüttert ward! Hatte sie, die seine Liebe so nötig hatte, ihm nicht zuerst die Stirn des Jupiters geboten und ihn standhaft abgewiesen? Wie hart hatte er, der sich nach ihr verzehrte, um ihre Gunst kämpfen müssen! Beide hatte ich leiden sehen in diesem Leiden, das herrlicher ist noch als jedes Glück, weil es ewig währt, während das Glück, das Gott uns Sündern zu schenken bereit ist, oft nur allzu kurz verweilt . (aber nicht immer, wie ich heute bezeugen kann).
Ich betrat das Haus, und das, was ich mitbekam, zeigte mir, ein welch ungeschickter Lehrer der Erzbischof doch gewesen war, denn es gab weit mehr zu lernen als die Art der Schlange.
Die Liebenden befanden sich in Magdalenas verbotenem Raum, den ich durch einen geheimen, nur für mich bestimmten
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