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Die Konkubine des Erzbischofs

Die Konkubine des Erzbischofs

Titel: Die Konkubine des Erzbischofs Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefan Blankertz
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stellten sich im Kreise auf die Gasse, während sich der Junge und Magdalena in diesem Kreise befanden. Magdalena stand aufrecht in ihrem Büßergewande. Der ärmlich gekleidete Junge war dagegen in sich zusammengesunken.
    »Was lastet auf dir, mein Junge?«, fragte sie.
    Er schaute unsicher in die Runde und sagte erst einmal nichts.
    »Etwas lastet auf dir, Martin. Was ist es? Du musst antworten, ich befehle es dir!«
    »Ich bin schwach«, jammerte er.
    »Du trägst etwas. Sag mir, was es ist.« Der Heilerin Stimme wurde bedrohlich.
    »Es ist nicht schwer, gleichwohl bin ich zu schwach«, sagte er mutlos.
    »Es erdrückt dich. Es ist schwer. Du musst mir sagen, was es ist, mein Kleiner. Sonst werde ich dich bestrafen. Weißt du, wie das ist, bestraft zu werden? Ich bin mächtig: Ich kann dich bestrafen!«
    »Ich werde es schon ertragen!«, sagte er trotzig und schob sein Kinn vor. Das ließ ihn reifer aussehen.
    »Du bist trotzig und böse, ungehorsamer kleiner Martin. Ich werde dich bestrafen, wenn du mir nicht bald sagst, was auf dir lastet.«
    »Glaubst du, ich habe Angst?«, sagte er. Die Menge fing an zu murren. Die Mutter rief ihm etwas zu. Man fand, dass er sich unbotmäßig der Heilerin gegenüber verhielt.
    »Du siehst«, sagte Magdalena unbarmherzig und zeigte in die Runde, »sie sind auf meiner Seite. Alle. Wirst du mir nun sagen, was auf dir lastet!«
    Die Menge rief: »Sag es! Sag es!«
    Der Junge stampfte mit dem Fuße auf. »Glaubt ihr, ich werde mich beugen?« Er richtete sich nun zu voller Größe auf, und wir sahen also, dass Martin kein Kind war, wie seine Mutter uns gesagt hatte, sondern ein Mann. »Ich bin stark, vertut euch da nicht!«, rief er mit kräftiger Stimme, gefolgt von einem höhnischen Lachen.
    Magdalena klopfte ihm freundschaftlich auf die Schulter: »Es ist gut. Du bist ein Mann. Arbeite, sorge für deine Mutter. Es ist ungut, wenn sie für dich sorgen muss. Das ist gegen die Naturordnung.«
    Er aber war alsbald fröhlich und sagte: »Ihr seid eine Heilige, edle Büßerin. Ihr habt erreicht, was die Natur und meine Mutter in all den Jahren nicht vermocht haben. Ich danke Euch.«
    War es nicht bewunderungswürdig, wie die Heilige es zu vollbringen vermochte, Martin zum Manne zu machen? Indem sie ihn wie ein Kind ansprach, das er mimte, obwohl er der Wiege schon entwachsen ward, forderte sie seinen Widerstandsgeist heraus, ohne dessen Hilfe wir Menschen uns nicht der Härte der Welt zu erwehren wissen. So also erkannte er, indem er sich gegen sie stellte, dass er über die Stärke verfügte, die nötig ist, um mannhaft zu sein. Dazu nutzte die Heilerin geschickt die Menge, die, ohne es zu wissen, ihr half, indem sie den Druck auf den faulen Jungen verstärkte. Während die Leute meinten, Magdalena beispringen zu müssen, den Widerspruchsgeist, den sie fälschlich für böse hielten, zu besiegen, damit sie mit der eigentlichen Heilung beginnen könne, hatte die Heilung schon eingesetzt. Noch heute wenden wir Magdaleninnen ein Verfahren solcher Art erfolgreich im weißen Hause an, wenn die Mädchen meinen, dem Ungemach des Lebens hilflos ausgeliefert zu sein.
    Da ich mit meiner hohen Herrin über die Absicht von Paulina und Angela gesprochen hatte, eine Heimstätte für gefallene Mädchen einzurichten, nahm die hohe Herrin nun die Gelegenheit, darüber zu sprechen: »Es sind zwei unter euch, die ihr zu den Meinigen zählt, die ein christliches Herz haben. Wir setzen sie hiermit als unsere Stellvertreterinnen ein, um ein Haus zu führen, in welchem unverheiratete Mädchen, die guter Hoffnung sind, ohne Schande Aufnahme finden. Dieses heilige weiße Haus werden wir stiften und bitten alle Christen um Almosen.«
    Dann aber nahm mich El Arab zur Seite, hielt mich an den Schultern und sagte leise: »Du musst jetzt sehr stark sein. Ein Bote hat mir soeben mitgeteilt, dass heute der Tag sein wird, da der Henker das Urteil an deinem Bruder Rignaldo vollstrecken wird.«
    El Arab fing meinen Körper auf, der in sich zusammenbrach. Nur gut, dass ich meinen Sohn nicht mit mir trug, sondern bei der Köchin gelassen hatte, denn ihn hätte ich jetzt vielleicht verletzt. Alles Hoffen und Beten war umsonst gewesen! Ich wollte El Arab anflehen, doch noch etwas zu unternehmen. Stattdessen konnte ich nur verzweifelt murmeln: »Herr, ich darf Euch nicht vertrauen.« Dann sank ich in Ohnmacht.
    Ungeachtet meiner ungebührlichen Bemerkung stützte er mich, nachdem ich aus der Ohnmacht erwacht war, und

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