Die Konkubine des Erzbischofs
nicht herausfinden konnte, warum, vergaß ich es wieder.
»Aber auch, wenn ich, wie du sagst, nicht wirklich dem Erzbischofe gehöre, dem Herzen nach ohnehin nicht, können wir nur eine Zukunft haben, wenn wir von Köln weggehen.«
»Daran zweifle nicht. Ich muss dich nur noch um ein wenig Geduld bitten. Denn du musst wissen, dass ich in meiner Heimat ein Sultanat besitze, das mir unrechtmäßig entrissen wurde. Ich werde es mit einem Heer zurückerobern, das ich bereits aufgestellt habe. Ich benötige nur noch diesen einen Schatz, ein Buch, das die Grundlage eines glücklichen Sonnenreiches wird, das du dereinst als Königin an meiner Seite regieren sollst.«
Sultanat! Wie der langsame Gisbert uns berichtet hatte, nannten sie den hochgewachsenen Morgenländer, der den buckligen Grafen Dampierre dem Pfaffenkönig als Schlachtvieh zugeführt hatte, Sultan! Also verdichtete sich mein Verdacht: Welche Verbrechen hatte der Sultan mit uns vor? Hatte Wachmann Goswin, der Vetter des langsamen Gisbert, nicht von den Spießgesellen gesprochen, die vor den Toren Kölns lagerten? Waren es diese, die El Arab hochtrabend »sein Heer« nannte? Dann konnte ich mir auch erklären, warum er sich nächtens aus dem Hause schlich, wie ich es beobachten konnte: Vielleicht hatte er sich ja im Mantel der Finsternis dorthin begeben, wo sich sein Heer befand.
»Das also war das Buch, das ich beim Hufschmied in Empfang nehmen sollte, doch jemand war uns zuvorgekommen?«, fragte Magdalena.
Wovon sprach sie? Wenn sie im Auftrage von El Arab beim Hufschmied gewesen ist, kann dies nur in der Mordnacht gewesen sein. Die Aussage meines Bruders, dass er sie dort erblickt hatte, die für mich so unglaubwürdig klang, wurde nun von ihr selbst bestätigt. Ja, jetzt erinnerte ich mich daran, dass ich nach El Arabs Ankunft der bevorstehenden Niederkunft wegen die hohe Herrin am Abend nicht gebettet hatte. Da musste es geschehen sein. Aber was war geschehen? Fast hätte ich meinen Stand vergessen und wäre hervorgestürzt, um die beiden, die mehr wussten, als sie mir sagten, zur Rede zu stellen. Nur im letzten Augenblick vermochte ich es, mich zu zügeln.
»Das ist das Buch«, seufzte El Arab.
»Was macht das Buch so wertvoll für dich?«
»Es ist ein Buch von einem Christen, in welchem er in die Gestalt eines Glaubensbruders von mir schlüpft, den er einen Philosophen nennt. Er disputiert mit einem Juden und einem Christen. Das Buch soll meine Untertanen lehren, nur die Vernunft über sich regieren zu lassen. Das wird das wahre himmlische Königreich auf Erden, vortrefflicher noch als das Königreich Granada.«
»Wirst du dieses Buch finden, Geliebter, oder werden wir, darauf wartend, in Köln weiter eine Posse aufführen?«
»Ich verspreche dir, dass ich es finden werde.«
Mir sank das Herz. Ich hatte den Schlüssel nicht nur zum Glücke meiner hohen Herrin, sondern auch eines ganzen Volkes. Doch bevor ich El Arab den Schlüssel übergeben konnte, musste ich herausfinden, ob er ein Ehrenmann war oder aber ein hinterlistiger Mörder. Denn es hatten sich Zweifel in meine Brust gebohrt, während Gott sich weigerte, meine Zweifel zu zerstreuen. Im Gegenteil: Es waren immer neue Zweifel aufgetaucht, die nun sogar meine hohe Herrin einschlossen. So gefiel es dem Herrn, mich nicht zur Ruhe kommen zu lassen.
Später sprachen sie von der neuerlichen Heilung, die meine hohe Herrin vorgenommen hatte. El Arab sagte: »Schade, dass ich meines sündigen Hochmutes wegen nicht zugegen war.«
»Das Mädchen litt an fortgeschrittenem Blutstau«, berichtete Magdalena. »Ich vermutete dies gleich, als Pater Bueno die Anzeichen aufzählte, die ich von Hippokrates nur zu gut kannte, denn viele der Mädchen, die unter der zu strengen Zucht der Franziskaner stehen, leiden daran.«
»Was hast du getan, um sie zu heilen?«, fragte El Arab. »Hippokrates meint ja, wenn ein gewisses Stadium überschritten sei, wäre der Tod unvermeidlich.«
»In der Tat stand sie kurz vor dem Tode. Ich brachte ihr Blut in Wallung, so dass sich ihr Körper öffnete und das Gift entweichen konnte.«
El Arab schaute ungläubig, aber mit dem mir gut bekannten Ausdrucke des Wissenschaftlers, und sagte verblüfft: »Es ist für mich eine neue Einsicht, dass unkeusche Berührungen die Kraft der Heilung in sich bergen.«
»Was unterscheidet also dies, was du unkeusche Berührung nennst, von dem, was unser Glück ausmacht? Dies nämlich sagt euer Avicenna: Lasst den jungen Leute freien
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