Die Kraft der Stille. Neue Lehren des Don Juan
Juan wie ein indianischer Bauer. Sein Strohhut, seine ausgetretenen Schuhe, seine alte Khakihose und sein kariertes Hemd hätten zu einem Gärtner gepaßt oder zu einem Tagelöhner.
Als ich die drei nebeneinander sah, hatte ich den Eindruck, als sei Don Juan verkleidet. Mir kam der militärische Vergleich in den Sinn, als sei Don Juan der Kommandant einer geheimen Operation - ein Offizier, der seine jahrelange Befehlsgewalt nicht verhehlen konnte, auch wenn er es versuchte.
Ich hatte außerdem das Gefühl, als wären die drei etwa im gleichen Alter, wiewohl Don Juan wesentlich älter wirkte als die beiden anderen, und doch unendlich viel kräftiger.
»Ihr wißt wohl bereits, daß Carlos bei weitem der größte Genießer ist, dem ich je begegnet bin«, sagte Don Juan mit ganz ernstem Gesicht. »Größer noch als unser Wohltäter. Ich versichere euch, falls es jemanden gibt, für den genußvolles Sichgehenlassen eine ernste Arbeit ist, so ist's dieser Mann.«
Ich lachte, aber sonst lachte niemand. Die beiden Männer beobachteten mich mit seltsamem Glitzern in ihren Augen.
»Ihr gebt gewiß ein denkwürdiges Dreigespann ab«, fuhr Don Juan fort. »Der Älteste und Kenntnisreichste, der Gefährlichste und Mächtigste, und der selbstsüchtigste Genießer.«
Sie lachten noch immer nicht. Sie musterten mich, bis ich verlegen wurde. Dann brach Vicente das Schweigen.
»Ich weiß nicht, warum du ihn ins Haus gebracht hast«, sagte er ungerührt und in scharfem Ton. »Er kann uns wenig nützen. Bring ihn hinaus auf den Hof!« »Und binde ihn an«, fügte Silvio Manuel hinzu.
Don Juan wandte sich an mich. »Komm«, sagte er leise, mit raschem Kopfnicken nach draußen weisend.
Es war ganz klar, daß die beiden Männer mich nicht mochten. Ich wußte nicht, was ich sagen sollte. Ich war verärgert und gekränkt, aber diese Empfindungen wurden irgendwie abgelenkt durch meinen Zustand gesteigerter Bewußtheit.
Wir gingen auf den Hof. Don Juan hob unerwartet ein ledernes Seil auf und wirbelte es mit unglaublicher Geschwindigkeit um meinen Hals. Seine Bewegungen waren so schnell und geschickt, daß ich im nächsten Moment - bevor mir klar wurde, wie mir geschah - wie ein Hund mit dem Hals an eine der beiden Hohlblocksäulen gebunden war, die das schwere Dach der hinteren Veranda trugen.
Don Juan schüttelte resigniert und irgendwie ungläubig den Kopf und kehrte ins Haus zurück, während ich ihn anbrüllte, er solle mich losbinden. Das Seil spannte sich so eng um meinen Hals, daß ich nicht so laut schreien konnte, wie ich gewollt hätte.
Ich konnte nicht glauben, was hier geschah. Ich unterdrückte meine Wut und versuchte den Knochen an meinem Hals zu lösen. Er war so fest, daß es schien, als wären die Lederstränge verleimt. Ich brach mir die Fingernägel bei dem Versuch, sie auseinanderzuziehen.
Ich hatte einen wilden Wutausbruch und knurrte ohnmächtig wie ein Tier. Dann schlang ich mir das Seil um das Handgelenk, stemmte mich mit den Füßen gegen die Hohlblocksäule und zog. Aber das Leder war zu zäh für meine Muskelkraft. Ich fühlte mich gedemütigt und hatte Angst. Die Furcht machte mich für einen Moment besonnen. Ich wußte, ich hatte mich von Don Juans gespielter Vernunft täuschen lassen.
Ich versuchte meine Situation objektiv zu prüfen, und ich erkannte, daß es keinen anderen Ausweg gab, als das Lederseil durchzutrennen. Ich rieb es kräftig gegen die scharfe Kante der Hohlblocksäule. Ich dachte, wenn ich das Seil durch trennen konnte, bevor einer der Männer auf den Hof kam, hatte ich eine Chance, zu meinem Wagen zu rennen und zu verschwinden, um niemals wiederzukommen.
Schwitzend und keuchend rieb ich das Seil, bis ich es beinah durchgescheuert hatte. Dann stemmte ich einen Fuß gegen die Säule, wickelte mir das Seil um das Handgelenk und zog verzweifelt - bis es riß und ich rückwärts ins Haus geschleudert wurde.
Als ich durch die offene Tür polterte, standen Don Juan, Vicente und Silvio Manuel in der Mitte des Zimmers und klatschten Beifall.
»Welch ein dramatischer Auftritt«, sagte Vicente und half mir auf die Beine. »Ich habe mich in dir getäuscht. Ich hätte niemals geglaubt, daß du zu solchen Wutausbrüchen fähig bist.«
Don Juan kam zu mir, er zog den Knoten auf und befreite mich von dem Seilende um meinen Hals.
Ich zitterte vor Angst, Erschöpfung und Wut. Mit bebender Stimme fragte ich Don Juan, warum er mich so quäle. Die drei Männer lachten und wirkten in diesem Moment
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