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Die Kreuzfahrerin

Die Kreuzfahrerin

Titel: Die Kreuzfahrerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefan Nowicki
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Ursulas Gebräu, noch bin ich bei Kräften, und in die gute Hoffnung werde ich ja wohl nicht kommen.“ Alle drei lachten kurz angesichts dieser Vorstellung. Ursula musterte Roderich aufmerksam. Er hatte den größten Teil seiner Rüstung bereits abgelegt, nur das Kettenhemd, die Beinschienen an den Unterschenkeln und der Helm, der jetzt neben ihm auf dem Tisch lag, waren geblieben. Sein Gesicht war dort, wo der dichte Bartwuchs die Haut freiließ, vom Staub bedeckt, in den der Schweiß Rinnen gezogen hatte. Das ehemals weiße Hemd mit dem roten Kreuz, das er über dem Kettenhemd trug, war an einigen Stellen zerrissen, neben dem Rot des Kreuzes gab es eine ganze Reihe Flecken in einem anderen Rot. Auch seine Hände waren von Staub und Blut verkrustet. Sie war froh, ihn heil und in einem Stück zu sehen. „War es schlimm heute?“, fragte sie ihn.
    „Ach, es ist immer schlimm. Aber die Heiden hier sind nicht allzu tapfer. Darum bin ich zuversichtlich. Vielleicht ergeben sie sich ja sogar ohne eine weitere Schlacht. Es wäre für alle gut, wenn wir uns etwas ausruhen könnten. Frisches Wasser und Futter sind rar. Ich sah so manch einen aus dem gemeinen Fußvolk, der sich auf die Heiden stürzte, als wolle er sie auffressen.“
    „Viel haben wir auch nicht mehr“, schaltete sich nun wieder Hilde ein, „doch wenn Ihr mit uns ein wenig Brot teilen wollt, Ihr seid uns herzlich willkommen an unserer fürstlichen Tafel.“
    Ein Lächeln überzog das Gesicht des Mannes, und Ursula war von einem Moment auf den anderen verliebt wie in den ersten Wochen, nachdem Roderich ihr Herz erobert hatte. Das Lächeln dieses Ritters fand nicht nur am Mund statt, nein, das gesamte Antlitz war daran beteiligt, und besonders die Augen schienen mehr zu leuchten als sonst. Ihr Blau stand im starken Kontrast zu der Kruste aus Schweiß, Blut und Dreck. Nur Ursula wusste, dass er fast ebenso zu lächeln pflegte, während ... Bei diesen Gedanken errötete sie augenblicklich und widmete sich rasch ihrem Kräutersud.
    „Ich habe gehofft, ihr würdet mich an eurem üppigen Mahl teilnehmen lassen“, scherzte Roderich zurück. „Ich habe auch etwas beizusteuern.“
    Er griff unter sein Hemd und förderte ein Säckchen hervor, dessen Inhalt er sogleich auf den Tisch leerte. Es waren getrocknete Datteln. „Ich hoffe, Euer Gnaden nehmen meine geringe Gabe mit Wohlwollen an.“
    Hilde kicherte. „Nun, da muss ich wohl erst die Güte der Gabe prüfen lassen. Ach, der Mundschenk ist ja gefallen. So muss ich wohl selber kosten“, sagte sie, griff sich eine der Früchte und biss genüsslich hinein. Ursula und Roderich lachten. Genau deswegen war er in das Zelt gekommen. Er wusste, Hilde war einfach nicht aus ihrer Gemütsruhe zu bringen. Immer hatte sie einen Scherz, eine Neckerei auf den Lippen und machte es den Anwesenden einfach, die Schrecken des Tages und all die Mühen ihrer Pilgerreise für kurze Momente zu verdrängen. Das war manchmal besser als zwei Nächte Schlaf. Ja, und außerdem sorgte er sich um die junge Mutter, die er auf dem langen Weg so sehr liebgewonnen hatte. Müde lehnte sich Ursula an ihn, und er legte seinen Arm um sie. Dann nahm er eine der getrockneten Früchte und führte sie zu ihrem Mund. Sie ergriff seine Hand, hielt sie vor ihre Lippen und streichelte zart über seinen Handrücken, während sie an der hingehaltenen Dattel knabberte. Die Süße der Frucht verwandelte sich scheinbar augenblicklich in Kraft, und sie fühlte sich kauend und schmeckend sogleich wieder etwas stärker. Glücklich sah sie zu Roderich auf, den Kopf auf seiner Schulter und sich weiter an ihn schmiegend. Der Ritter wünschte sich in diesem Moment nichts sehnlicher als ein weiches Lager, auf das er sich zusammen mit Ursula einfach rücklings hätte fallen lassen können, aber statt dessen rief jemand aufgeregt seinen Namen.
    „Herr Roderich! Herr Roderich! Seid Ihr hier?“
    „Komm rein! Du weißt es doch! Was ist?“, rief Roderich zum Zelt hinaus.
    Sein Knappe erschien. „Herr, Euer Gaul hat einen Hieb abbekommen, und wir haben große Mühe, das andere Volk daran zu hindern, ihn zu schlachten. Kommt schnell, sonst werdet Ihr in die nächste Schlacht zu Fuß schreiten müssen.“ Mit einem Satz stand Roderich, und auch Ursula war bei dem Ruf aufgefahren. „Verdammt!“, dröhnte sein Bariton, „nicht die Heiden, sondern der Hunger ist der größte Feind unseres wallfahrenden Heeres. Wenn die Leute nicht bald etwas zu fressen bekommen, werden

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