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Die Kreuzfahrerin

Die Kreuzfahrerin

Titel: Die Kreuzfahrerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefan Nowicki
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neue Führung.
    Abends nach dem Essen zogen sich Ursula und Roderich zurück auf ihr Lager. Ursula warf froh alle ihre noch immer feuchten Kleider von sich und kroch zu Roderich unter die Decken. Roderich hielt Ursula in seinen Armen und sah sie lange schweigend an. Schließlich räusperte er sich und flüsterte mit rauher Stimme: „Ursula, willst du für immer und ewig meine Gefährtin sein?“
    Ursula antwortete mit einem langen zärtlichen Kuss. „Roderich, lieber Mann, wie soll das gehen? Ich bin eine davongejagte Magd und du ein Ritter. Was werden deine Eltern und dein Bruder sagen, wenn du von der Pilgerschaft heimkehrst mit einer Frau ohne Mitgift und Namen?“
    „Wir könnten hierbleiben“, antwortete Roderich. „Ich hätte große Lust, es den Normannen gleichzutun. Hinter dem Haus ist eine Schmiede. Ich verstehe mich darauf, und wir hätten ein Auskommen.“
    „Nein!“ Erschrocken setzte Ursula sich auf. „Das dürfen wir nicht. Wir haben ein Gelübde geleistet, wenn wir bleiben, geben wir unsere Seelen der ewigen Verdammnis preis.“ Voller Inbrunst äußerte Ursula ihre tiefste Überzeugung.
    „Dann lass uns wenigstens als Mann und Frau weiterziehen“, lenkte Roderich ein und schob Ursula seinen Ring über den Finger. „Ich habe mit einem Mönch gesprochen. Er ist bereit, uns zu vermählen.“
    „Ja“, sagte Ursula unter Tränen, „ich möchte dein Weib sein.“
    Auch Roderichs Augen wurden feucht, beide umschlangen sich und schliefen für den Moment als die glücklichsten Menschen Antiochias ein.
    Im Traum sah Ursula sich und ihren Ritter vor einem Haus in der Sonne sitzen, und auf ihren Beinen saß ein Kind. Das Bild strahlte durch die ganze Nacht in ihr, und am Morgen erwachte sie mit dem heimlichen Wunsch, wieder Mutter zu werden.

Antiochia,
8. Juni 1098
    Die gellenden Laute der Hörner schreckten alle in der Stadt auf. Die Wachen an den Toren und auf den Mauern schlugen Alarm. Die Männer eilten zu den Waffen und stürzten durch die Gassen hinunter zur Befestigungsanlage. Vor den Mauern stand das Heer der Muslime. Eine Welle des Entsetzens wogte durch die ganze Stadt. Sie waren eingeschlossen. Am Abend kehrte Roderich in das Haus zurück und unterrichtete die Frauen von der kritischen Lage. „Wir sitzen in der Falle. Die Kriegsmacht vor den Toren braucht uns noch nicht einmal angreifen. Während wir die Stadt belagerten, gab es immer noch Nachschub für Antiochia durch Seldschuken aus den Bergen. Doch uns werden sie wohl kaum versorgen. In der Stadt gibt es schon jetzt kaum noch etwas zu essen, und wenn kein Wunder geschieht, werden wir in diesen Mauern alle vor Hunger umkommen.“
    Noch nie hatte Ursula Roderich so verzweifelt gesehen. Doch ihr Bräutigam hatte noch mehr schlechte Nachrichten. „Einige Soldaten haben mir erzählt, in der Stadt mehren sich Sterbefälle aufgrund einer unbekannten Seuche. In den Quartieren liegen bereits die Schwächsten im Siechtum. Es wird besser sein, ihr bleibt hier im Haus.“
    Eine bleierne Stille senkte sich über die ganze Stadt. Außer den zu den Mauern gerufenen Kriegern bewegte sich niemand durch die Gassen. In den Kirchen wurden Gottesdienste abgehalten. Die Mönche liefen mit Weihrauch durch die Gassen und riefen zu Buße und zum Fasten auf. Das wäre gar nicht nötig gewesen, denn bereits nach etwas mehr als einer Woche gingen den meisten die Vorräte aus.
    Auch Ursula und Hilde stellten bestürzt fest, dass sie so gut wie nichts mehr hatten, wovon sie leben könnten. Selbst die meisten Kräuter in ihrer Truhe waren feucht geworden und verdorben. In ihrer Verzweiflung beschlossen sie, den Esel zu schlachten. So konnten sich Roderich und seine Männer und auch die Frauen etwas stärken. Mit einigen Fleischbrocken zog Hilde zu den Normannen in der Zitadelle und konnte dagegen etwas Mehl und Getreide eintauschen.  Aber das war dann auch alles, was ihnen blieb.

Antiochia,
14. Juni 1098
    „Ein Wunder! Ein Wunder!“, scholl es durch die Gassen. Ursula und Hilde spitzten die Ohren, sie trauten sich nach wie vor nicht vor die Türe. Roderichs Knappe kam in den Hof gelaufen. „Ein Wunder!“, rief auch er. Außer Atem erzählte er den Frauen, was vorgefallen war. „Ein Mann namens Peter Bartholomäus hatte in den letzten Nächten immer wieder denselben Traum. Er sagte, ihm sei der heilige Andreas erschienen und habe ihm in der Kathedrale eine wundersame Waffe gegeben. Er war davon so beseelt, dass er die Herren und sogar Bischof Adhémar

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