Die Kreuzfahrerin
Roderichs Augen glänzten. „Wir haben mit Heiligen an unserer Seite gekämpft. Die Feinde ergriffen irgendwann die Flucht, aber alle, die Ritter, das Fußvolk, alle setzten ihnen nach. Ich glaube, kaum jemand ist davongekommen. Ursula, wir sind wieder befreit. Gott ist mit uns.“
Berührt von seinen Worten fiel Ursula Roderich in die Arme. „Jetzt gehen wir nach Jerusalem, und dort werden wir heiraten“, flüsterte sie ihm ins Ohr.
Die ganze Stadt war im Siegestaumel, Mönche brüllten Botschaften vom himmlischen Beistand durch die Gassen, und es dauerte über zwei Tage, bis sich alle Menschen wieder beruhigten.
Roderich kam immer wieder mit neuen, beunruhigenden Nachrichten zurück. Die Fürsten lagen in offenem Streit. Bischof Adhémar war an der Seuche erkrankt und konnte nicht mehr zwischen den Franken und Normannen vermitteln.
Bohemund und seine Leute hatten eine Vielzahl zum Bleiben überredet, Raimund von Toulouse wollte aber nach wie vor nach Jerusalem weiterziehen.
Niemand wusste, wie es weitergehen sollte, als die Glocke von St. Peter den Tod des päpstlichen Legaten verkündete.
Ursula und Hilde schlossen sich im Haus ein. Trotz Ursulas heftigem Flehen, im Haus zu bleiben, verließ Roderich die Frauen immer wieder, um zu erfahren, wie die Fürsten sich entschieden.
„Die Lage wird immer ernster“, lautete seine Aussage eines Tages. „Die Gruben vor der Stadt reichen nicht mehr aus, um all die Toten darin zu begraben. Die Menschen sterben an Schwäche und an der Krankheit, die in einigen Viertel der Stadt wütet. Wir müssen hier raus.“
„Aber wie?“, wollte Hilde wissen.
„Fürst Bohemund besteht darauf, dass Teile des Heeres die Ländereien der Umgebung sichern. Mit dem nächsten Heertross, der aufbricht, ziehen auch wir aus der Stadt“, erzählte Roderich seinen Plan. „Wir können in einem der Dörfer auf der anderen Seite des Flusses abwarten, was geschieht. Ich glaube, Raimund von Toulouse wird sich Bohemund nicht beugen. Er wird alle, die noch an der Befreiung Jerusalems festhalten, über kurz oder lang aus der Stadt führen. Wenn es soweit ist, schließen wir uns ihm an.“
Ursula schwieg. Erst später zog sie Roderich zu sich heran und äußerte ihre Zweifel sowie eine Nachricht, die sie unter anderen Umständen froh gemacht hätte.
„Roderich, wir haben keinen Esel mehr“, fing sie an. „Du weißt, wir werden auch für allen Schmuck und das restliche Geld, das wir haben, kein neues Zugtier bekommen. Du selbst hast auch nur noch das eine Pferd, dein Knappe und selbst die meisten deiner Freunde laufen bereits zu Fuß.“
Roderich überlegte. „Dann nehmen wir nur das allernötigste mit. Der Karren wird leicht zu ziehen sein, wenn er nicht schwer beladen ist.“
„Ja, mein lieber Mann, sicher, von gesunden Männern und vielleicht auch von kräftigen Frauen, aber nicht von einer kurzatmigen, kleinen Dicken und einer jungen Frau in der Hoffnung.“
Roderich verstand nicht sofort, doch plötzlich strahlten seine Augen auf. „Ist das wahr? Ursula, bist du dir sicher?“
Ursula nickte nur, gerührt von der unbekümmerten Freude, die aus Roderich drang.
Roderich sprang auf. „Hilde, Hilde, komm schnell!“, rief er, „wir bekommen ein Kind.“
Hilde, die das bereits einige Zeit lang vermutet hatte, kam grinsend um die Ecke. „Herr Roderich, was seid ihr doch für ein Tor“, feixte sie. „Ein Kind wird nicht von heut auf morgen geboren. Es besteht gar kein Grund so zu brüllen, wir haben noch viele Monate Zeit.“
Roderich ließ allerdings nicht locker. Gerade wegen des Kindes wollte er seine Ursula so schnell wie möglich weit weg von der Seuche bringen. Doch trotz all seiner Bemühungen konnte er kein Zugtier für den Karren der Frauen finden. Aber auch Ursula sah ein, dass es besser wäre, bald die Stadt zu verlassen. Noch fühlte sie sich kräftig und hatte kaum Beschwerden. Als Roderichs Knappe zusagte, er werde sich auch vor den Karren spannen lassen, brachen sie mit dem nächsten ausrückenden Heerzug auf.
Maarrat an Numan,
12. Dezember 1098
Als die kleine Stadt offensichtlich genommen war, rückte der Tross langsam nach. Hilde und Ursula zogen ihren Wagen etwas abseits durch die Gassen. Hilde hatte einen hochroten Kopf und schnaufte wie ein Ochse vorm Pflug.
„Ursula, ich kann nicht mehr“, japste sie. „Lass uns hier halten.“
„Hilde, bleib du hier“, sagte Ursula und nahm den leeren Wasserschlauch vom Karren. „Ich schau mal, ob ich Wasser
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