Die Kreuzfahrerin
um sich auf Wanderschaft zu begeben. Von wo kommt er in diesen trüben Tagen her?“, fragte er.
„Oh, die letzte Nacht durfte ich im Heu eures guten Nachbarn Bertram verbringen. Am Tag davor kam ich aus der Obhut eines lieben Bruders, der ein segensreiches Leben zwischen vier weiteren Höfen in seinem kleinen, selbsterrichteten Gotteshaus führt. Bevor ich zu ihm kam, war ich bei einigen Bauern und bei einem Schmied. Der Anfangspunkt meiner Wanderung liegt sehr weit weg im Westen, im Reich der Franken, und der Name jener Orte würde euch keinerlei Anhaltspunkt geben, von woher ich komme. Ich bin auf dem Weg nach Osten, um die wilden Stämme jenseits der Grenzen zu bekehren. Doch vorerst hoffe ich, bald Regensburg zu erreichen, um dort bei meinen Brüdern den Winter zu verbringen.“
„Warum wandert er dann nicht auf den bekannten Handelswegen? Diese sind befestigt, und man kommt schneller voran“, erwiderte Matthes, von Natur aus allen Fremden gegenüber ein wenig misstrauisch.
„Mein Sohn, steil und mühsam ist der Weg ins Himmelreich, die breite bequeme Straße führt oft nicht zu Gott. Nicht die Gesunden bedürfen des Arztes, sondern die Kranken und jene, die fern sind von Gott, die nur selten sein Wort vernehmen und seine Stimme hören.“
„Nun, dann sei er uns willkommen auf seinen Abwegen. Viel haben wir nicht zu bieten, aber ein trockenes Lager und Teil an unserer Speise sei euch gegönnt.“ Bauer Matthes war zum Schluss gelangt, dass von diesem Mönch keine Gefahr ausging, und auch er war neugierig auf all das, was sich außerhalb seiner erfahrbaren Welt abspielte.
„Sagt an, was gibt es zu berichten aus den Landen?“
„Es kommen schwere Zeiten“, antwortete der Geistliche bedeutungsschwanger und reichte Ester die geleerte Schale. Mit Blicken gab er zu verstehen, eine weitere Suppe würde ihn freuen.
Ursula musterte den Mann. Selbst trocken war dessen Bart und das wenige Haar rund um eine Glatze am Hinterkopf strähnig und verfilzt. Von dem langsam trocknenden Umhang ging ein penetranter Geruch nach feuchter Schafswolle und Rauch aus. Der Schlamm an seinen Füßen und Unterschenkeln bildete Krusten. Seine Hände hatten dicke Finger, mit langen, unter den Rändern schwarzen Fingernägeln. Das, was der Bart von seinem Gesicht preisgab, sah allerdings freundlich aus. Unter einer hohen Stirn und regelmäßigen grauen Augenbrauen standen zwei kleine, sehr lebendige Augen. Die Nase war eher eine Knolle, die Lippen zwischen den Bartzotteln klein, rosa und gerne bereit, Nahrung aufzunehmen sowie Worte von sich zu geben.
„Glaubt mir, meine Kinder, wir leben in der Endzeit. Das Kommen unseres Meisters, Richter über alles Gute und Böse, scheint nah. Es hat Zeichen am Himmel gegeben.“
„Was für Zeichen?“, entfuhr es Ute.
„Lichter, man berichtet von seltsamen Lichtern in Nächten, auch einen Stern mit einem Schweif wollen manche gesehen haben. Die Bauern sagen, es ist kälter als gewöhnlich, und der Sommer war kurz.“
„Das ist wohl wahr“, sagte Bauer Matthes. „Der Sommer war kurz, aber solche Sommer hat es immer gegeben. Kurze Sommer, lange Sommer, trockene Sommer und Jahre, in denen es nur Regen gab. Doch davon geht unsere Welt nicht unter, oder?“
Fest sah der Mönch den Bauern an, nahm noch einen langen hörbaren Schluck aus der neu gefüllten Schale, bevor er weitersprach: „Nun, die Zeichen am Himmel sind nicht von der Hand zu weisen, auch wollen uns Plagen auf das Ende vorbereiten. Im Westen gab es viel Hunger und an manchen Orten eine unbekannte Seuche, die viele dahinraffte oder ihrer Glieder beraubte. Ein inneres Feuer, das den Körper ausbrennt, manchmal auch nur einzelne Glieder verdirbt, so dass sie abgetrennt werden mussten. Glaubt mir, betet und seit redlich, damit ihr ohne Fehl vor den Stuhl des Richters treten könnt. Schon haben sich die irdischen Mächte entzweit. Kaiser Heinrich hat sich vom Papst abgewandt. Er und abtrünnige Bischöfe haben einen anderen Papst gewählt, und Papst Gregor hat seinen Bann gegen Kaiser Heinrich bekräftigt. Die Weltordnung ist aus den Fugen. Die Kirche kann nicht zwei Herren dienen und das Reich nur einem Kaiser.“
Die Rede des Mönches verfehlte ihre Wirkung nicht. Zum einen konnte niemand im Raum auf diese Dinge eine Antwort geben, zum anderen erregten sie durchaus Furcht in den Seelen der Menschen.
Auch Ursula erschauderte. Sie wusste, der Bauer gehorchte dem Vogt, ihm gab er einen Teil seiner Ernte, und nur der Vogt
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