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Die Kreuzfahrerin

Die Kreuzfahrerin

Titel: Die Kreuzfahrerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefan Nowicki
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Zwischendurch war es Ursulas Aufgabe, überall dort, wo mit den Sensen nicht geschnitten werden konnte, mit einer Sichel die stehengebliebenen Büschel zu schneiden. Die Heuernte ging nun sehr viel schneller voran. Gleichzeitig, schien es, war die Arbeit so für alle hastiger geworden. Ihr fehlte der vertraute Rhythmus. Auch bei der Kornernte erwiesen sich die Sensen als sehr nützlich.
    Ursula durfte nun täglich die Brotzeit vom Hof holen. Schon nach wenigen Tagen gewöhnten sich ihre Hände und Arme an das Schleppen der beiden Wasserkrüge. Ursula stapfte nicht mehr ganz so verbissen vor sich hin, sondern konnte mehr und mehr ihre Augen über den Wegrand und die angrenzenden Pflanzen streichen lassen. Erkannte sie ein Kraut, rief sie sich ins Gedächtnis, was Ester ihr über die Pflanze, ihre Kräfte und Verwendung erzählt hatte. Die unbelastete Zeit, in der sie zusammen mit der Großmutter durch die Wiesen und Wälder gestrichen war, lag nun schon mehr als zwei Jahre zurück. Ursula wunderte sich, wie die Zeit verging. Es schien ihr erst einige Wochen her zu sein, dass der Oheim sie auf dem Hof abgeliefert hatte und sie fremd und schüchtern im Eck der großen Stube auf einem Schemel gesessen hatte. Wie alt war sie jetzt eigentlich? Ursula überlegte. Seit sie auf den Hof gekommen war, hatte es so viele Winter gegeben, wie sie Finger an einer Hand hat, nein einer mehr, Davor war sie über ein Jahr von Verwandtschaft zu Verwandtschaft geschubst worden. Und als die Eltern starben, war sie, wenn sie sich recht erinnerte, sechs Jahre alt gewesen. Sie stellte die Krüge kurz ab und zählte mit ihren Fingern von der Sechs weiter. Ein Jahr bei Verwandten und eine Handvoll und einen Finger auf dem Hof. Sie musste also dreizehn Jahre alt sein. Oder vierzehn? Ursula war sich nicht sicher, aber sie kam sich schon recht erwachsen vor, wenn ihre Rechnung so stimmte.
    Als das Wetter nicht mehr so beständig blieb, wurden besonders die Kinder losgeschickt, um Früchte und Pilze zu sammeln. Die Männer mussten das eingefahrene Korn dreschen und alles für den bevorstehenden Winter richten. Ester, die Bäuerin und die Magd trockneten und verarbeiteten die gesammelten Früchte.
    Ursula ging am liebsten allein los, doch meistens musste sie eins der Kleinen mitnehmen. Liesel war ja noch zu ertragen, und sie war meistens auch eine Hilfe, doch die kleine Magda war mehr als nur ein Klotz am Bein. Ständig war irgend etwas, mal wollte sie nicht mehr laufen, mal musste sie Pipi, und kaum war man einige Schritte gegangen, wurde neues Jammern laut. War Magda zufrieden, beklagte sich Arnulf. Beim Beerenpflücken hielten sie eine Weile durch. Bei Früchten, die auf Bäumen wuchsen, stand Magda nur unten und jammerte oder futterte, was sie in ihr kleines Mäulchen stopfen konnte.
    Pilzesuchen ging mit Magda überhaupt nicht, und Liesel hatte Angst im Wald. Da Ursula aber von Ester so viel über Pilze und Kräuter gelernt hatte, durfte sie oft allein ohne störenden Anhang in den Wald. Schon hatte sie ihre eigenen Plätze, an denen sie immer fündig wurde, und zusammen mit den Stellen, die ihr Ester anvertraut hatte, war ihr Korb oft schneller als erwartet gefüllt mit den herrlichsten Pilzen. So gewann sie hin und wieder einige freie Stunden ganz für sich. Manchmal saß sie dann auf einer kleinen versteckten Lichtung tief im Tann, oder sie ließ ihre Beine im Wasser eines kleinen Bächleins baumeln. Sie genoss schlicht das Gefühl ihrer Freiheit. Träume oder Pläne drangen ihr nicht in die Gedanken, genauso wenig wie düstere Erinnerungen an längst vergangene Tage. Sie kroch unter jungen Nadelgehölzen hindurch, immer auch auf der Suche nach noch ergiebigeren Fundorten, und freute sich über die schönsten Exemplare, als wären es persönliche Geschenke an sie. Es war an einem dieser Spätsommertage, sie hatte eine ganze Weile auf ihrer Lichtung gesessen, die Sonne war längst über ihren höchsten Stand hinaus, und sie hatte noch Lust, weiter oben an einem kleinen Bach nach Pilzen zu sehen. Bedächtig arbeitete sie sich hangauf, aufmerksam rechts und links schauend, ob nicht hier schon die eine oder andere kastanienbraune Kappe einen schmackhaften Pilz erkennen ließ. Sie hörte bereits das Plätschern des kleinen Wasserlaufs, als sie rechts von sich einen großen Steinpilz entdeckte. Vorsichtig drehte sie das wunderbare Exemplar aus dem lockeren Waldboden, und wie sie aufschaute, sah sie ein ganzes Stück weit entfernt noch ein ähnlich

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