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Die Kreuzfahrerin

Die Kreuzfahrerin

Titel: Die Kreuzfahrerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefan Nowicki
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ihr nicht mehr, bis die Herbststürme und der nahende Winter auch ihren geheimen Platz ungemütlich machten. Aber sie wünschte sich nichts mehr, als noch zwei, drei Mal dort hin zu kommen, bevor die kalte Zeit sie und die anderen wieder in der Stube einsperren würde.
    Doch es gelang ihr in diesem Jahr nur noch einmal, bis hoch auf ihren Felsen zu kommen. Dann ließen es das Wetter und die kürzeren Tage nicht mehr zu. Häufiger Regen und kalte Winde sorgten dafür, dass man sich schon bald wieder in der Stube um das Feuer scharrte. Die Fenster wurden mit Stroh verstopft oder mit dicken Tierhäuten behängt. Waren die Arbeiten draußen und im Stall getan, dämmerten alle im Halbdunkel der Stube vor sich hin und beschäftigten sich so gut es ging wieder mit Handarbeiten.
    Eines Tages, die Dämmerung war noch nicht hereingebrochen, aber der Tag war aufgrund tiefhängender grauer Wolken gar nicht wirklich hell gewesen, ertönte auf dem Hof eine kräftige, tiefe Stimme: „Gibt es gottesfürchtige Leute hier!? Heh! Hoh! Leben hier Christenmenschen!?“
    Alle ließen ihre Arbeit fallen, und zur Haustür, dem Stall und der Scheune schauten die Köpfe aller derer heraus, die zum Hof gehörten. Der Hund schlug an, und die kleine Magda begann laut zu weinen.
    Draußen, mitten auf dem Hof, stand, triefend nass auf einen Stab gestützt, in einem langen grauen Gewand ein Mönch. Ursula wusste von diesen Leuten und hatte auch schon welche gesehen, als sie einmal zu Ostern mit in die Kirche genommen worden war, die es fast eine Tagesreise entfernt gab. Auch war der eine oder andere Wanderprediger auf dem Hof schon mal aufgetaucht, aber die kamen meistens am Ende des Frühlings, wenn das Wetter gut und es allgemein wärmer war. Dass sich jemand bei so unwirtlichem Wetter freiwillig auf Wanderschaft begab, schien Ursula mehr als töricht. Andererseits bedeutete der Besuch eines Fremden, dass der normale Alltagstrott unterbrochen wurde, und außerdem wussten gerade die Wanderprediger und die gelehrten Mönche vieles zu erzählen, wovon man hier auf dem Hof nichts wusste. Ursula war klar, dass es außer ihrem Hof in der Nähe noch zwei weitere Anwesen gab, dass etwas weiter drei Höfe beieinanderstanden, in deren Mitte die kleine Kirche gebaut worden war. Sie wusste auch, dass irgendwo dort in der Nähe der Vogt in einer Burg lebte, und dass man dort an einen Fluss gelangte, dessen Lauf man einen Tag lang folgte, um auf den Markt zu kommen. Dorthin fuhr der Bauer im Frühjahr und nach der Ernte, um Handel zu treiben. Dort hatte er die Sensen erworben, und von dort brachte er immer ein Säckchen Salz mit. Doch Wanderprediger kamen meist noch von viel weiter her, und Ursula fiel es schwer, weiter zu denken als über den kleinen Weiler mit dem Kirchlein hinaus.
    Matthes der Bauer trat vor die Tür in den Nieselregen und tat erst einmal mürrisch. „Wer will das wissen?“, herrschte er die graue Gestalt an.
    „Bruder Aegidius, von der Gemeinschaft unseres guten Vaters Benedictus von Nursia. Auf dem Weg nach Osten, um die frohe Botschaft des Herrn zu verkünden“, drang es vom Hof zurück.
    „Dann soll er nicht länger im Regen stehen, ein Gottesmann ist in unserem christlichen Haus immer willkommen!“, lud Matthes den Mönch nun weitaus freundlicher ein.
    Der Wanderer kam heran, reichte dem Bauern die Hand, lehnte seinen Stab gegen die Wand und schüttelte sich seine schlammigen Sandalen von den Füßen. „Gesegnet sei dieses Haus und seine Bewohner, die einen Jünger des Herrn unter ihr Dach laden“, sprach er feierlich dabei.
    In der Stube setzte man ihn auf einen Schemel nahe am Feuer, und Ester drückte ihm eine Schale mit heißer Brühe in die Hand. Kurz hob der Mönch die Augen gen Himmel und murmelte ein Gebet des Dankes und des Segens. Dann setzte er die Schale an und schlürfte laut die warme Flüssigkeit in seinen Mund. Alle hatten sich längst in der Stube versammelt, musterten den Fremden und warteten schweigend auf alles Weitere, gespannt, was dieser Mann zu erzählen hätte.
    Der kannte allerdings diese Momente zur Genüge und ließ sich nicht aus der Ruhe bringen. Trotz des Schweigens, denn selbst der Bauer Matthes mochte einen Mönch nicht beim Essen stören, schlürfte der Fremde unverdrossen laut vor sich hin, bis er die Schale geleert hatte. Erst dann sah er auf und zählte anscheinend die „Schäfchen“, die sich um ihn geschart hatten.
    Der Bauer brach schließlich das Schweigen. „Es gibt bessere Zeiten,

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