Die Kreuzfahrerin
bewahrte die Worte in ihrem Herzen.“
Magda war in den Armen Utes eingeschlafen, und die Magd brachte die Kinder schnell zu Bett. Auch der Mönch schien langsam müde zu werden und starrte gedankenverloren in das Feuer. Schließlich seufzte er. „Ja, ja, Jerusalem. Die heilige, himmlische Stadt, wo unser Herr Jesus einherwandelte. Wo Gott selbst mit seinen Füßen das Pflaster berührte, sein Wort aus eigenem Mund verkündete und sich schließlich selbst als Opferlamm für uns Sünder hingab. Was würde ich darum geben, selbst einst dorthin zu pilgern und auf den Wegen des Herrn zu wandeln. Oh, wie segensreich muss es sein, am Grabe unseres Herrn zu beten. Aber Jerusalem ist von den Heiden besetzt. Das ganze Heilige Land soll in der Macht fremder Völker liegen. Sie nennen ihren Gott Alla und sagen, Jesus Christus, der Herr, sei nur ein Prophet gewesen wie alle anderen auch. Sie schänden unsere allerheiligsten Stätten und lassen keinen Pilger mehr zu ihnen. Ach, wir leben in schlimmen Zeiten.“ Gähnend streckte sich der Mönch. „Gute Frau“, sprach er Ingrid an, „wo kann der Diener des Herrn sein Haupt betten, um durch die dunkle Nacht zu ruhen?“ Die Bäuerin wies ihm seinen Platz zu, wo Ursula frisches Stroh aufgeschüttet hatte und auch eine Decke aus grober Wolle bereitlag. Der Mönch erhob sich, wünschte allen eine gesegnete Nacht, und nur kurze Zeit später erfüllte sein Schnarchen den Raum. Es war spät, und alle sahen jetzt zu, ebenfalls schnell auf ihre Lager zu gelangen. Kaum hatte Ursula ihre Augen geschlossen, schlief sie ein und träumte von einer glänzenden Stadt, deren helle Mauern weit über Land die Herannahenden blendeten.
Auf dem Hof des Bauern Matthes,
Herbst 1094
Am nächsten Morgen hatte es zur großen Freude des Mönchs, der diese in lautem Lobpreis kundtat, aufgehört zu regnen. Der Himmel zeigte sich tiefblau mit einzelnen, strahlend weißen Wolken. „Danket dem Herrn!“, rief der Mönch immer wieder und schnürte rasch sein Bündel. „Dieses Geschenk muss ich nutzen“, sagte er, segnete rasch noch jeden einzelnen, schlug das Kreuz über Haus, Stall und Scheune, segnete auch die Tiere, und mit weiteren Segenswünschen machte er sich von dannen. Auch Ursula freute sich sehr über das gute Wetter und wäre am liebsten sofort losgelaufen, um ihren kleinen Tümpel zu besuchen, doch die Arbeit ließ dies nicht zu. Es war schon fast Mittag, als sie die Erlaubnis erhielt, sich mit ihrem Korb noch einmal in den Wald zu begeben. Der Boden war durch den Regen der letzten Tage weich und tief. Bergauf rutschten Ursula immer wieder die Füße weg, und ihr wurde traurig klar, dass sie ihren Lieblingsplatz in der verbleibenden Zeit nur schwerlich erreichen würde. Als sie sich schweißnass und schwer atmend so den Berg hinaufarbeitete, nahm sie plötzlich einen stechend süßlichen Geruch wahr. Es roch wie ein verwesendes totes Tier, und sie hörte auch wildes Summen von Fliegen. Vorsichtig bewegte sie sich dem stärker werdenden Geruch entgegen und stand unvermittelt vor einer Gruppe hellweißer, sich steil aus dem feuchten Laub reckender Glieder. Sie hatte schon einmal einen ähnlichen Pilz mit Ester gefunden, der aussah wie die Rute eines Hundes. Diese hier waren aber dicker im Schaft und standen aufrechter. Neugierig besah sie sich die seltsamen Gewächse. Vorsichtig streckte sie die Hand aus und berührte einen Stiel, unwillkürlich fuhr sie den Schaft entlang, spürte die glatte, feuchte Beschaffenheit der Rute und erschrak, als sich plötzlich tief in ihrer Mitte ein seltsames Gefühl ausbreitete. Vor Schreck verlor sie das Gleichgewicht, plumpste auf ihren Hintern und spürte, wie ihr Herz plötzlich wie wild schlug. Panisch rappelte sie sich auf, griff ihren Korb und stürzte kopflos davon. Sie lief ein ganzes Stück, bis sie außer Atem innehalten musste, um Luft zu holen. An einen Baum gelehnt beruhigte sie sich langsam, nur in ihrem Kopf ging es drunter und drüber. Hatten diese Pilze eine Zauberkraft? Hatte sie sich durch die Berührung vergiftet, und das Gefühl in ihr war ein erstes Anzeichen dafür? Noch während sie sich mit diesen Gedanken herumschlug, hörte sie das Knacken eines Astes. Alarmiert sah sie sich nach allen Seiten um und lauschte angestrengt. Sie war sich eigentlich immer bewusst, dass sie im Wald nicht allein war. Doch die meisten Tiere nahmen sie wahr, noch ehe sie selbst diese zu Gesicht bekam. Manchmal hatte sie eine flüchtende Hirschkuh kurz
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