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Die Kreuzfahrerin

Die Kreuzfahrerin

Titel: Die Kreuzfahrerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefan Nowicki
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lag ein ganzes Heer. Alle Leute aus der Gegend strömten zusammen, und es grauste jeden, denn überall blickten aus der Scholle die dunklen Höhlen, wo dereinst Augen waren, der Totenschädel hervor. Schließlich hatte der Bauer einen Einfall. Er sammelte alles Eisen, die Teile der Rüstungen, Speerspitzen, Helme und verrostete Schwerter und brachte sie zum Schmied. Der mischte die Sachen mit Erz und konnte wirklich neues Eisen daraus gewinnen. Er zahlte dem Bauern keinen guten Preis, aber er zahlte. Darauf suchte der Bauer nach mehr, und eines Tages fand er einen ganzen Beutel mit Goldmünzen. Ja, und auf einmal war der arme Bauer, über den alle gelacht hatten, reich. Mit dem Geld ging er fort in die nächste Stadt und soll mit den Seinen dort ein gutes Leben haben. Die Nachbarn aber stürzten sich alle auf den Acker und wühlten sich wochenlang durch die Erde, keiner fand aber auch nur eine Münze. Da sie aber alle ihre eigene Wirtschaft vernachlässigt hatten, fiel in der ganzen Gegend die Ernte in diesem Jahr sehr kärglich aus. So wie der Pflug die Erdkruste umdreht, hatte sich dort das Geschick der Menschen gewandelt. Ja, ja, die Wege des Herrn.“ Der Mönch holte tief Luft, griff sich seinen Becher und leerte ihn in einem Zug. Laut rülpsend stellte er ihn auf die Tischplatte, und Magda kicherte. Damit war das Abendmahl beendet. Alle erhoben sich, nur Bauer und Mönch blieben sitzen. Bruder Aegidius sah sich um, lächelte und rief: „Lasset die Kindlein zu mir kommen.“ Ingrid schob Liesel und Magda wieder an den Tisch, und der Geistliche erzählte ihnen, wie der kleine Jesus in der großen Stadt Jerusalem verlorenging. Mit großen Augen lauschten die beiden Mädchen der Erzählung. Auch Ursula spitzte die Ohren und konnte sehen, dass es allen in der Stube nicht anders ging. Der Mönch sonnte sich in der Aufmerksamkeit, und wissend, dass sich die meisten hier unter einer Stadt so gut wie nichts vorstellen konnten, schilderte er Jerusalem: „Die Stadt kann man schon von ganz weit weg sehen. Es gibt dort keine Wälder, und sie ist von baumhohen Mauern umgeben. Zwölf Tore hat die Stadt, durch die man hineinkommen kann, eines prächtiger als das andere. Hinter den mächtigen Mauern drängen sich dicht an dicht die Häuser der Menschen. Sie sind aus Steinen und aus in der heißen Sonne gebrannten Lehmziegeln gebaut. Sie stehen so eng aneinander, dass sie gemeinsame Wände haben, so wie die Waben im Bienenstock. Alle laufen mit sauberen Füßen einher, denn auch die Wege und Gassen sind aus Stein. Nur ein wenig Staub beschmutzt die Füße der Leute, und wenn sie in ein Haus einkehren, schütteln sie sich das Bisschen einfach von den Füßen.“ Zur Verdeutlichung hob er seinen Rock und schüttelte seine Füße, von denen der mittlerweile getrocknete Schlamm sich löste und wie kleine Tonscherben auf den Boden fiel. „Über all den Häusern erhebt sich der Tempel Salomons. Seine Mauern sind noch mächtiger und höher als die Mauer der Stadt. Wie ein großer Berg steht er inmitten der Stadt, und jeder einzelne Stein ist ein Felsblock so groß wie ein Ochse. In der Stadt drängen sich unbeschreiblich viele Menschen. Wie Ameisen auf ihrem Haufen drängen sie sich durch die Gassen, und alle scheinen ein Ziel zu haben: den Tempel. Dort sind die Schriftgelehrten, die Gottes Wort und die Gesetze erklären, und die Priester sind den ganzen Tag damit beschäftigt, die von den Menschen gebrachten Opfertiere zu schlachten und auf den Altären Gott darzubringen. Auch Maria und Josef und Jesus gingen in den Tempel und opferten, wie es Brauch war, einige Tauben. Doch als man sich wieder auf den Heimweg machte, fehlte Jesus. Sein Nährvater und seine Mutter liefen zurück in die Stadt und suchten verzweifelt nach ihm. In all den vielen Gassen mit den unzähligen Menschen suchten sie. Und als sie schon fast aufgeben wollten und zum Tempel eilten, um Gott anzuflehen, ihnen ihren Sohn wiederzugeben, fanden sie Jesus eben dort im Tempel zwischen all den Schriftgelehrten. Da saß der Knabe und sprach mit den gelehrten Herren über Gott. Die Pharisäer und Schriftgelehrten staunten nicht schlecht über die klugen Fragen und Antworten, die aus dem Mund des Knaben kamen. Sie wussten ja nicht, dass dies Gottes Sohn selbst war. Maria und Josef fanden ihn und nahmen ihn mit sich, und als die Mutter Jesus tadelte, sagte das Jesuskind: Aber Mutter, wusstest du nicht, dass ich im Hause meines Vaters sein muss? Und Maria schwieg und

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