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Die Kreuzfahrerin

Die Kreuzfahrerin

Titel: Die Kreuzfahrerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefan Nowicki
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den Kindern war nur mit größter Anstrengung das gleichmäßige Atmen zu vernehmen. Matthes und seine Frau redeten noch murmelnd miteinander, im Stall schnaubte ein Rind. Ursula meinte, bis hierher in den Verschlag das Heu zu riechen.
    Am nächsten Morgen verkündete der Bauer, dass Liesel von Arnulf mit auf die Weide genommen werden sollte, um sich das Hüten des Viehs zeigen zu lassen. Sie war nun groß genug, um sich bei den Tieren mit einem Stock Respekt zu verschaffen, und bis zur nächsten Mahd sollte sie in der Lage sein, diese Aufgabe allein zu bewältigen. Verstohlen sah Ursula das stolze und auch frohe Leuchten in Liesels Augen. Und die junge Frau beneidete die Bauerstochter jetzt. Im ersten Jahr auf dem Hof hatte Ursula das Vieh beaufsichtigen dürfen, und sie erinnerte sich an die vielen verträumten Stunden, im Schatten eines Baumes oder bei Regen unter dem schützenden Dach eines aus Baumrinde errichteten Unterstands, ohne herumkommandiert zu werden. Nie wieder würde sie so viel Zeit für sich und eigene Gedanken haben. Auch Liesel schien sich eines Sommers angefüllt mit ruhigen Stunden zwischen dem Vieh bewusst. Arnulf hingegen verzog das Gesicht, er wusste nur zu gut, dass Liesel ihm die ersten Tage mit unzähligen Fragen lästig fallen würde, und befürchtete, dass sie ihm nicht folgen würde. Doch andererseits war auch er im Moment stolz, denn der Übergang seiner bisherigen Pflicht auf Liesel bedeutete, dass er nun wieder ein Stück mehr zu einem männlichen Mitglied der Hofgemeinschaft aufgerückt war.
    Gernot und Ludger hieß der Bauer ein Stück Wald für die Schweine herrichten. Auch den beiden Männern war eine spontane Reaktion anzusehen. Diese jedes Frühjahr anstehende Arbeit war alles andere als beliebt. Sie würden mehrere Tage brauchen, um ein entsprechendes Waldstück mit einem Wall aus Dornengestrüpp zu umfrieden. Die Dornen bildeten dann einen natürlichen Zaun, den die Schweine ohne große Not nicht durchbrechen würden und der Eindringlinge aus dem Wald fernhalten sollte. Doch bis dieses Hindernis errichtet war, wartete auf die beiden eine schweißtreibende Plackerei, bei der sie unzählige Kratzer und Blessuren davontragen würden. Die Schweine konnten dann den ganzen Sommer über bis spät im Herbst dort bleiben. Sie wühlten unter den Bäumen nach Eicheln und Wurzeln, suhlten sich im Schlamm eines kleinen Gumpens und brauchten nur einmal am Tag gezählt werden. Nicht selten kam der Knecht im Sommer von den Schweinen und murrte nur: „Sau müsste man sein.“ Worauf der Bauer ihn jedes Mal mit hochgezogener Augenbraue musterte und knapp bemerkte: „Ja, und jeden Winter aufs neue abgestochen werden.“ Dann grinsten sich beide kurz an.
    Nicht nur die Tiere verbrachten nun die meiste Zeit im Freien, auch die Menschen waren den ganzen Tag über nicht im Haus. Einzig Ingrid und Magda verbrachten noch Stunden im Halbdunkel unter dem Strohdach beim Weben. Und Tier wie Mensch war froh, nach dem langen Winter nicht weiter im Haus eingesperrt zu sein.
    An einem späten Nachmittag, als alle gerade zum Hof zurückkehrten, kam der Knecht des Nachbarn und verkündete den bevorstehenden Frühjahrsmarkt im Dorf. Sogleich hingen Ingrids Töchter an ihrer Schürze und bettelten darum, mitgenommen zu werden. Einen Augenblick lang sah es so aus, als wolle auch Arnulf in das flehentliche Gebettel einstimmen, doch dann schien sich der Jüngling darauf zu besinnen, dass ein Mann so etwas nie tun würde, und er schielte nur erwartungsvoll zu seinem Vater hinüber. Matthes dankte indes dem Boten und bot ihm an, zum Abendbrot zu bleiben, doch dieser bedankte sich, er wolle nicht im Dunklen heimstolpern, und machte sich auf den Weg.
    Der Bauer achtete weder auf die Stimmen der Töchter noch auf den Blick Arnulfs und verschwand im Haus.
    Erst als alle aufgegessen hatten, lehnte er sich zurück und verkündete seine Entscheidungen für den Markttag. Mürrisch erhob er seine Stimme und brachte mit einem strengen Blick auch seine beiden Töchter zum Schweigen.
    „Viel Gesindel treibt sich heuer in der Gegend umher. Auf dem Markt werden sicher auch viele Fremde sein. Wir brauchen diese Leute nicht, sie bringen nur Gerüchte und schlechte Sitten.“ Den Mädchen stand bereits fast das Wasser in den Kinderaugen. Sollten sie etwa nicht zum Markt gehen? „Wir brauchen eigentlich nichts“, fuhr Matthes fort, „aber ich will versuchen, ob ich einen Ochsen und ein Schwein gegen Werkzeug und ein paar Hühner

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