Die Kreuzfahrerin
tauschen kann. Der Marder hat sich über den Winter zu viele geholt. Ein Wagenrad muss gerichtet werden, und vielleicht kann Ingrid ihr Tuch für neue Kleidung und Steingut geben. Ute, du richtest die geflochtenen Körbe und Kiepen und auch das Schnitzwerk her. Im letzten Jahr haben die Leute unsere Schalen und Löffel gerne genommen.“ Er machte eine Pause. Erwartungsvoll hingen vor allem die Kinder an seinen Lippen. Doch keines gab auch nur einen Mucks von sich.
„Arnulf, ich möchte, dass du beim Vieh bleibst. Ludger, du bleibst hier und hütest Haus und Hof. Was ich noch an Arbeit für dich habe, besprechen wir dann. Ute, du wirst der Bäuerin bei unserem Stand zur Hand gehen und vor allem auf Liesel und Magda achten. Gernot, dich brauche ich für die Tiere. Ursula, du bleibst da. Wenn du Haus und Stall besorgt hast, kannst du von mir aus Kräuter suchen gehen.“
Wie immer war Matthes’ Ansprache kurz und knapp, doch sie verfehlte ihre Wirkung bei keinem der Hofgemeinschaft. Die beiden Mädchen sprangen durch die Stube. „Markt, Markt, Markt, wir gehen auf den Markt“, sangen sie dabei. Arnulf wollte sich seine Enttäuschung nicht anmerken lassen, doch schon sein leicht gesenkter Kopf verriet, dass auch er gerne mitgekommen wäre. Aber er hatte ja eine Verantwortung, und er würde den Vater nicht enttäuschen.
Ludger hatte sich da viel besser im Griff. Er würde für einen Tag Herr des Hauses sein, und auch wenn es immer eine Menge Interessantes für einen jungen Burschen wie ihn auf dem Markt gab, seine Position tröstete ihn allemal darüber hinweg, diesmal nicht mit den Jungbauern der Umgebung um die Wette anzugeben und sich zu produzieren. Die jungen Weiber interessierten ihn dieses Jahr auch weniger, und einen Schluck Beeren- oder Honigwein würde der Vater ihm am Abend, nach erfolgreicher Rückkehr sicherlich spendieren. Ein ganzer Tag allein auf dem Hof passte ihm in seinen Kram, und verstohlen schielte er zu Ursula hinüber.
Ursula hatte keine andere Entscheidung erwartet. Ihr war klar, dass sie in der Hofgemeinschaft noch ganz hinten anstand. Doch die Aussicht, endlich wieder in ihren geliebten Wald gehen zu können, war ihr viel mehr wert. Schon überlegte sie, wie sie es anstellen konnte, möglichst viel Zeit an ihrem geheimen Tümpel zu verbringen. Sie plante bereits, sich und ihre Kleider dort zu waschen. Kräuter und Beeren würde sie auf dem Hin- und ebenso auf dem Rückweg genug sammeln können. Ludgers Blicke bemerkte sie nicht.
Matthes hatte sich längst erhoben, und Ingrid herrschte ihre Hilfsmagd ungeduldig an. „Auf, Ursula! Worauf wartest du? Räum den Tisch und säubere das Geschirr.“
Ursula fühlte sich ertappt, sprang auf und kam hurtig ihren Pflichten nach. Sie räumte die Lebensmittel zusammen, stapelte Teller und Schalen auf und trug sie raus, um sie am Brunnen sauberzuscheuern. Dann kehrte sie ins Haus zurück, verräumte alles und schob die Asche um das Herdfeuer zusammen, damit am nächsten Morgen noch ein wenig Glut da war. Erst dann, wie so oft als letzte des Hauses, begab sie sich zu ihrem Lager. Erst auf ihrem Strohsack liegend ließ sie erneut die Gedanken an den bevorstehenden Markttag wieder zu. Sie träumte von dem kleinen See, auf dessen Oberfläche Reflexe des Sonnenlichts aufblitzten und um den herum alles voller saftiger, hellgrüner Kräuter und Farne stand.
Auf dem Hof des Bauern Matthes,
Mai 1095
Der Markttag war recht bald heran, auch wenn es Liesel und Magda wie eine Ewigkeit erschien, vergingen die zwei Wochen doch sehr rasch.
Bereits am Vorabend beluden die Männer den Ochsenkarren mit Flechtwerk und den Holzschnitzereien. Ein Schwein wurde aus dem Wald geholt und in einen aus Rundhölzern zusammengebundenen Käfig gesperrt. Das von der Bäuerin gewebte Tuch lag zum Mitnehmen bereit, und zu guter Letzt holte der Bauer aus der Truhe einen kleinen Lederbeutel hervor. Er entleerte den Inhalt auf den Tisch und begann die runden Metallplättchen, die der Beutel ausspuckte, zu zählen. Die meisten von ihnen waren stumpf grau, nur ein paar schimmerten rötlich golden.
Ursula wusste, dass es Geld gab und dass man damit tauschen konnte, den Wert der wenigen Münzen, die der Bauer angespart hatte, konnte sie allerdings nicht ermessen. Die beiden Mädchen sahen in den Münzen allenfalls attraktives Spielzeug, wussten aber auch, dass ihr Vater damit auf dem Markt etwas eintauschen konnte. Sie hofften auf eine Kette mit Holzperlen oder ein buntes Band.
Kaum
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