Die Kreuzfahrerin
dabei, unter jedem Stein einen Schatz zu vermuten. Die Steine häuften sie am Feldrand auf. So entstand nach und nach ein kleiner Wall, der den Acker begrenzte. Der Nachmittag war vielleicht zur Hälfte vergangen, da ging mit den Ochsen nichts mehr.
Ludger brachte die beiden Tiere auf den Driesch, Bauer und Knecht gingen zum Hof, um die Egge zu richten. Ursula und die Kinder mussten weiter klauben, Ludger sollte ihnen dann helfen. „Dass ihr mir keinen Brocken überseht, ich möchte nicht alle naslang neue Zinken für die Egge schnitzen“, ermahnte der Bauer sie noch.
Mit Ludger ging das Klauben wesentlich schneller. Ursula musste nun nicht ständig zwischen Arnulf und Magda hin und her springen. Ludger nahm sich der großen Steine an und ließ sich von Arnulf bewundern, wie er diese teilweise von seinem Standort aus bis an den Feldrand stoßen konnte.
Als Ursula einen Brocken kaum aus der Erde bekam, stolzierte er lässig heran. „Soll ich dir helfen?“ Seine Stimme hatte einen provozierenden Unterton. Ursula achtete nicht drauf. „Ja, der ist zu schwer für mich“, stöhnte sie nur. Ludger stand ihr gegenüber und bückte sich nun auch. Mit beiden Händen am Fels zerrend konnte Ursula nicht verhindern, dass er ihr in den Ausschnitt schielte. Sein Kopf kam ihrem näher, und er küsste sie rasch auf die Wange, bevor er mit ihr den Stein anhob. „Jeden Stein, den du nicht schaffst, ein Kuss“, raunte er ihr zu und grinste sie wie schon so häufig frech an. Ursula sah sich nach den Kleinen um. Hatten sie etwas gesehen? Nein, wohl nicht. „Dann werde ich mich jetzt wohl mehr anstrengen“, entgegnete sie keck. Mit Arnulf und Magda im Rücken fühlte sie sich sicher. Ludger ließ es dabei und zeigte Arnulf weiter, wie stark er war.
Mit der Dämmerung kehrten sie auf den Hof zurück. Das Vieh war noch zu versorgen, dann erst gab es Essen. Nach dem langen Rumhocken im Winter hinterließ so ein ganzer Tag im Freien bei allen seine Spuren. Es wurde nicht viel gesprochen. Ein jeder freute sich auf den Schlaf. Ursula fiel am Abend todmüde auf ihr Lager und nahm sich vor, am folgenden Tag noch fleißiger zu arbeiten. Sie wollte Bäuerin werden.
Nach zwei Tagen waren die Felder von den Steinen befreit. Zum Eggen brauchte der Bauer nur den Knecht. Arnulf wurde geschickt, die Kühe zu hüten. Ute und Ursula hatten reichlich mit dem Bestellen der Gemüsebeete zu tun. Die Bäuerin hatte mit dem Weben begonnen, und Magda durfte bei ihr im Haus bleiben. Liesel half den Mägden im Garten. Das Gemüsebeet wurde nicht gepflügt, mit Holzspaten und Hacken kehrten die Frauen das vor dem Winter mit Mist und Kot gedüngte Erdreich um. Liesel klaubte Kiesel und begann, gröbere Erdklumpen mit einem Grabstock zu zerkleinern. Den Garten umzugraben, zu hacken und zu rechen dauerte fast so lange wie das Bestellen der Felder. Ursula bekam Ludger untertags nur noch zu sehen, wenn man sie schickte, Wasser und Brot aufs Feld zu bringen.
Nach wie vor schnitt er ihr besondere Scheiben, und hin und wieder, wenn er ihr das Brot oder den Krug reichte, berührte er flüchtig und immer frech grinsend ihre Hände. Dann durchfuhr es Ursula angenehm warm.
Die Gartenarbeit forderte Ute und Ursula noch mehr als Steineklauben. Das Graben, Hacken und Harken ging ihnen schwer an, und doch hatte Ursula Freude daran. Sie war dann in Gedanken ihr eigener Bauer und Ochse, war stolz und freute sich über das sichtbare Ergebnis der Plackerei. Schon in ihrem ersten Frühjahr auf dem Hof war sie fast täglich immer wieder zu den Beeten gegangen, um die ersten grünen Blättchen zu entdecken. Beim Gedanken an frischen Lauch und Knollen lief ihr das Wasser im Mund zusammen. Die Samen für Bohnen, Radieschen, Pastinake, Zwiebeln, Rüben und Lauch hütete Ingrid wie einen Schatz. Sie stammten aus eigenen Erträgen ebenso wie aus dem Tausch mit anderen Höfen. Diese brachten manchmal auch Samen vom Markt oder aus einem Kloster. Ingrid bewahrte sie über den Winter in einzelnen Säckchen und diese wiederum in einem besonderen, verschlossenen Tongefäß auf. Weder Samen noch Steckzwiebeln durften feucht werden, und die Hausherrin achtete sehr darauf.
Auch Ursula besaß solch einen Schatz. Noch von Ester angeleitet hatte sie die Samen der im Garten wachsenden Kräuter und Blumen gesammelt. Die Alte hatte ihr erklärt, dass Gemüse und Wurzeln ebenso wie die Kräuter im Wald besondere Kräfte und Eigenschaften bewahrten. Sie hatte ihr gezeigt, wie man aus den
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