Die Kreuzfahrerin
durch diesen Gedanken schloss sie die Augen.
Auf dem Hof des Bauern Matthes,
Frühjahr 1095
Es wurde nun mit jedem Tag etwas wärmer. Schon konnten die Tiere aus dem Haus gelassen werden, und man begann den Winter aus dem Haus zu vertreiben. Die wenigen Fenster wurden wieder geöffnet und die in einen passenden Rahmen gespannte milchig-gelbe Ziegenhaut eingesetzt. Im Haus war wieder mehr Platz, und das einfallende Licht offenbarte Schmutz und vernachlässigte Winkel. Ursula hatte mehr zu tun denn je. Sobald sie morgens aufschreckte, rappelte sie sich hoch und schürte das Feuer. Meist war sie schon dabei, heiße Steine in ein Gefäß mit Wasser zu geben, wenn Ingrid hinzukam. Die Bäuerin nickte dann zufrieden und beteiligte sich wortlos an den Vorbereitungen für das Morgenmahl.
Die anderen saßen noch über ihre Breischüsseln gebeugt, da war Ursula schon bei den Kühen. Ute und sie teilten sich jetzt nicht mehr ein Euter, sondern jede von ihnen melkte eine Kuh. Melken, Füttern und Ausmisten hatte zu geschehen, bevor Ursula ins Haus zurückkehrte. Da war der Boden zu fegen, der Rahm von der Milch zu schöpfen und zu Butter zu stampfen. Dazwischen hielt Ursula mit viel Geduld die kleine Magda davon ab, ihrer Mutter oder Ute in die Quere zu kommen. Die beschäftigten sich mit dem während des Winters gesponnenen Garn. Eine Arbeit, bei der sie auf keinen Fall durch kleine Kinderhände gestört werden durften, war das Bespannen des Webstuhles. Nur Liesel, die bereits verständig genug war, durfte dabei mit zur Hand gehen.
Nach dem Buttern nahm Ursula daher Magda und Arnulf mit aufs Feld. Der Bauer, Ludger und Gernot hatten einen Ochsen vor den Pflug gespannt und zogen Furche um Furche. Ursula begann mit den Kindern in respektvollem Abstand zu dem massigen Zugtier die Steine vom Feld zu räumen, die der Pflug hervorgerissen hatte. Magda sammelte Kiesel in ihrer Schürze, Arnulf, der ein Mann sein wollte, suchte sich nur die größten Brocken, und nicht selten musste Ursula ihm helfen. Wenn die Sonne dann ihren höchsten Stand erreichte, lief Ursula mit Magda zum Hof zurück, um frisches Wasser und Brot für die Männer zu holen. Arnulf blieb zurück und klaubte weiter Steine. Mit Magda war der Weg zurück aufs Feld mühsam. Mal hatte die Kleine keine Lust mehr zu laufen, mal fand sie einen Käfer, mal wollte sie einfach trotzig sein. Ursula versuchte, diese kleinen Pausen zu nutzen, indem sie sich nach Pflanzen umsah. Jetzt im Frühjahr gab es noch nicht viel, aber sie wollte die Zeit nicht mit Herumstehen und Warten auf das kleine Mädchen vertun. Allein die Aussicht auf einen Kanten Brot vermochte Magda doch noch bis zum Feld zu treiben. Der Bauer hatte gemeinsam mit Ludger den Ochsen vom Joch befreit und ließ ihn weiden. So groß und kräftig diese Tiere auch aussehen mochten, lange hielten sie es nicht aus unter dem Joch. Sie ermüdeten schnell und wurden dann unwillig. So blieb den Bauern nichts anderes übrig, als immer wieder den Ochsen zu wechseln. Ein Ochse zog, und der andere ruhte sich aus. Trotz des ständigen Ein- und Ausspannens kamen sie so rascher voran, als wenn sie einem einzigen Ochsen immer wieder die nötigen Erholungsphasen gönnten.
„Ein Pferd müsste man haben“, träumte Ludger während der Mittagspause laut vor sich hin.
„Ja“, erwiderte der Bauer mürrisch, „und du besorgst dann zwei weitere Äcker für den Hafer. Und wenn die Herren in Fehde liegen, müssen wir den Gaul eh abgeben und können beten, dass wir ihn heil zurückbekommen. Hör auf zu träumen, unsereins hat keine Gäule.“
„Ochsen brauchen kein extra Futter“, mischte sich Gernot mit ein. „Sie können mit den Kühen auf die Weide, außerdem geben sie Fleisch und Leder. Von einem Pferd hast du nicht viel, außer dass es die Egge schneller und länger zieht.“
„Schluss damit.“ Dem Bauern reichte es. „Wir haben Ochsen, und so Gott will, kriegen die Kühe auch Bullenkälber. Ochsen brauchen wir nicht kaufen. Wovon willst du denn ein Pferd bezahlen? Hä? Da schweigst du.“
Ludger ließ den Kopf hängen. Er wusste, weitere Worte waren jetzt nicht erwünscht.
Gernot stand auf, nahm noch einen kräftigen Schluck Wasser und schickte sich an, den Ochsen zu holen. Damit war die Pause vorbei, auch Ursula und ihre beiden Schützlinge mussten weitermachen. Als den Kleinen schon bald die Lust am Steine-
tragen verging, erinnerte sie Ursula an die Geschichte des Wandermönches, und schon waren die Kinder eifrig
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