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Die Kreuzfahrerin

Die Kreuzfahrerin

Titel: Die Kreuzfahrerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefan Nowicki
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dieses Vergnügen einen hohen Preis eingerichtet. Denn dabei können Kinder entstehen. Darum soll der Mann nur bei einer, seiner Frau liegen, damit er sich um sie und um die Kinder kümmert. Kinder kriegen ist aber kein leichtes Geschäft. Du wirst es bald selber wissen. Eine Frau in der Hoffnung kann nicht mehr ungehindert arbeiten, und die Geburt ist ein schweres Werk. Da die Frauen aber nicht alle Jahre Kinder bekommen können, ohne dabei Schaden zu nehmen, verweigern sie sich ihren Männern, und die suchen sich dann andere Möglichkeiten. Wir wissen damit umzugehen und haben unsere Mittelchen, wie du weißt. Und für ihr Vergnügen sind die Kerle bereit zu bezahlen. Das ist für uns ein willkommenes Zubrot. Und manchmal macht es uns selber ja auch Freude, nicht wahr, Adele?“ Adele errötete und kicherte verlegen. Und Ursula verstand jetzt das Verhalten Daniels und auch das seltsame Grinsen des Bauern. Der dachte, Ursula wäre ein neues Vergnügen in Hildes Haus. „Ist das nicht Sünde?“, fragte Ursula, und Hilde lachte. „Ja, mein Kind, in den Augen einiger Kirchenherren ist es Sünde, aber auch bei den Mönchen und ihresgleichen gibt es eine große Anzahl derer, die auf solche Sünden nicht verzichten wollen und sich wohl hinterher gegenseitig die Absolution spenden. Mach dir aber keine Sorgen. Wir lassen hier nicht jeden rein, und du musst es uns nicht gleichtun.“
    Ursula war beruhigt und löffelte ihre Suppe aus.

Vor den Mauern Arqas,
15. April 1099
    Bevor die nächste Wehe kam, richtete Ursula sich zwischen den Felsen ein. Sie stemmte die Füße in den Boden und lehnte sich gegen den Felsen. Ihren Beutel und das Tuch hatte sie zusammen mit dem Wasser neben sich gelegt. Dann legte sie das Messer dazu und öffnete den Lederriemen, der ihre Haare zusammenhielt. Den Riemen legte sie zu dem Messer. Dann vergewisserte sie sich tastend ohne hinzusehen, wo die einzelnen Sachen lagen, damit sie sie später auch in der Dunkelheit wiederfinden konnte. Diese praktischen Überlegungen beruhigten sie etwas. Jetzt hätte sie gerne etwas von Hildes Gleichmut besessen. Noch lieber wäre ihr allerdings gewesen, die Freundin dicht an ihrer Seite zu wissen, ihre Hand in der ihren und ein paar grobe Scherze aus Hildes Mund. Tränen stiegen ihr bei den Gedanken in die Augen. Sollte sie wirklich ganz alleine das schwere Geschäft des Gebärens leisten? Würde es ihr gelingen, trotz all der Schmerzen einen klaren Kopf zu bewahren? Sie durfte auf keinen Fall das Bewusstsein verlieren. „O Gott, steh mir bei!“ Noch einmal ging sie in Gedanken alles durch, woran sie sich erinnern konnte. Was würde sie noch brauchen? Sie dachte an Regensburg zurück.

Regensburg,
Winter 1095
    Es hatte nicht lange gedauert, und Ursula war mit den Gewohnheiten und Verrichtungen in Hildes Haus vertraut. Ihr Bauch hatte begonnen anzuschwellen, und das Kind in ihr gab immer häufiger deutliche Zeichen seiner Existenz. Es fühlte sich ganz eigen an, wenn sich da in ihr drinnen das Kind bewegte und sie von innen in die Seite stieß. Ursula nahm sich aller Arbeiten an, die sie verrichten konnte. Auch in der Stadt kannte sie sich nach einigen Wochen ganz gut aus. Sie verlief sich auf ihren Wegen durch die Gassen nur noch selten und wusste, wo sie finden konnte, wozu Hilde sie losgeschickt hatte. Viele Dinge bezahlte man in der Stadt mit den Metallplättchen, die Heller oder auch Pfennig genannt wurden. Auch in Hildes Haus wurde meist mit Geld bezahlt. Außer mit den Vergnügen suchenden Männern beschäftigte sich Hilde auch mit Kräutern. Oft saß sie mit Ursula zusammen, und beide tauschten ihr Wissen aus. In den ersten Wochen hatte Hilde Ursula auch mitgenommen, wenn sie in den Hügeln hinter der Stadt nach Kräutern und Wurzeln suchte. Jetzt hatten die ersten scharfen Fröste eingesetzt, und seit ein paar Tagen war Schnee gefallen. Das erste, was Ursula auffiel, als sie an einem Morgen vor die Tür trat, war die frische Luft. All der Unrat, der auf die Straßen gekippt wurde, war gefroren und vom Schnee zugedeckt. Ein beständiger Wind vertrieb den Rauch der vielen Herdfeuer, und in den Gassen stank es nicht mehr so arg. Oft konnte Ursula diesen Umstand allerding nicht genießen. Das Gehen fiel ihr immer schwerer, und ihre Beine waren seit einigen Tagen etwas angeschwollen. Hilde verabreichte ihr Kräutergetränke, die sie zusammen mit dem Druck, den das Kind auf ihre Blase ausübte, immer häufiger auf den Eimer zwangen.

Regensburg,
März

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