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Die Kreuzzüge

Die Kreuzzüge

Titel: Die Kreuzzüge Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Asbridge , Susanne Held
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Nahkämpfe zu beklagen. Der Widerstand der muslimischen Seite wurde durch neu hinzukommende Truppen aus dem Biqa-Tal verstärkt, und da Unur damit rechnen konnte, dass Nur ad-Din und Saif ad-Din bald eintreffen würden, spielte er auf Zeit. Er scheint als Gegenleistung für den Abbruch der Kampfhandlungen erneute Tributzahlungen versprochen haben. Außerdem wusste er um die unterschwelligen Rivalitäten unter den verbündeten Christen und versuchte auf recht raffinierte Weise, Zweifel und Misstrauen zu säen. Man hatte offenbar den Kreuzfahrer-Königen eine Botschaft zukommen lassen, die vor der Ankunft der Zangiden warnte, während ein anderer Gesandter gleichzeitig Kontakt mit den Franken der Levante aufnahm und sie zu überzeugen suchte, dass ihr Bündnis mit den Leuten aus dem Westen nur zu einer neuen Konfrontation im Osten führen würde, denn »ihr wisst: Wenn sie Damaskus einnehmen, dann werden sie die Regionen an der Küste an sich reißen, die sich jetzt in eurer Hand befinden.« Die Christen waren ganz offensichtlich von inneren Spannungen zerrissen; lateinische Quellen bestätigen, dass unter den Franken ein Streit um die Frage entbrannte, wem nach der Eroberung der Stadt die Rechte über Damaskus zustanden.
    Die Franken machten nur geringfügige Fortschritte, es wurden immer mehr Zweifel an der gegenwärtigen Taktik laut, daher traf man sich am [258] Abend des 27. Juli zu einer Beratung. Die Führer fassten den von einer gewissen Panik geprägten Beschluss, sich in den Osten der Stadt zu verlagern, von wo aus, wie die Franken glaubten, ein direkter Angriff auf die Stadt leichter zu bewerkstelligen war. Es stellte sich dann allerdings heraus, dass dieser Bereich von Damaskus genauso massiv verteidigt wurde, und nun befanden sich die Christen und ihr Lager in einer exponierten Position ohne Zugang zu Wasser. Unter der sengenden Sommersonne verließ sie der Mut. Ein muslimischer Augenzeuge berichtet, dass »bei den Franken aus verschiedenen Richtungen Nachrichten vom schnellen Vorrücken der islamischen Truppen eintrafen, die im heiligen Krieg gegen sie antreten wollten, und es machte sich bei ihnen die Überzeugung breit, dass sie vernichtet waren und die Katastrophe unmittelbar bevorstand«. Lateinische Quellen deuten Verrat innerhalb des christlichen Heeres an, Bestechung durch Unur und allseitige erbitterte Schuldzuweisungen. Am 28. Juli traten die vereinigten levantinischen und Kreuzfahrer-Truppen einen furchtbar demütigenden Rückzug an, während damaszenische Reiter nicht aufhörten, ihnen zuzusetzen. König Konrad schrieb später, dass die Christen »sich voller Gram zurückzogen, da die Belagerung gescheitert war«, Wilhelm von Tyrus dagegen bemerkt, dass der Rückzug der Kreuzfahrer sich »in großer Unordnung und Angst« vollzogen habe. Der französische und der deutsche König erwogen zunächst noch Pläne für einen zweiten, besser ausgerüsteten Angriff auf Damaskus oder einen Feldzug gegen das fatimidische Askalon, doch beide Ziele wurden fallengelassen. Konrad machte sich im September auf den Rückweg nach Europa, und nachdem er die heiligen Stätten besucht hatte, folgte Ludwig ihm im Frühjahr 1149. Ein muslimischer Chronist erklärte erleichtert, dass »Gott die Gläubigen [in Damaskus] von ihrer Heimsuchung erlöst hat«. 8
    Was die Franken betrifft, so war der wichtigste Vorstoß des zweiten Kreuzzugs in der Levante auf eine verheerende Niederlage hinausgelaufen. Nach den grandiosen königlichen Vorbereitungen waren die christlichen Pläne vollständig durchkreuzt, und auch die Vorstellung eines lateinischen heiligen Krieges war zutiefst fragwürdig geworden. Popularität und Praxis des Kreuzzugsgedankens hatten einen verheerenden Rückschlag erlitten, und die Folgen davon sollten noch lange Zeit spürbar bleiben. Die Historiker nun haben zwar die Frage ausgiebig diskutiert, wie klug oder töricht die Entscheidung der Franken gewesen war, [259] Damaskus zu belagern, doch dabei wurde häufig der Einfluss des Kreuzzugs auf den Islam im Vorderen Orient vernachlässigt. Oberflächlich betrachtet schien sich an der Machtbalance nichts geändert zu haben – Unur behielt die Herrschaft über Damaskus; die Christen waren zurückgedrängt. Im Augenblick höchster Gefahr jedoch waren die Damaszener gezwungen gewesen, Aleppo und Mosul um Unterstützung zu bitten. Für kurze Zeit hatte es in der Mitte der 1140er-Jahre so ausgesehen, als sei Unur in der Lage, der Vormachtstellung der Zangiden die

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