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Die Kreuzzüge

Die Kreuzzüge

Titel: Die Kreuzzüge Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Asbridge , Susanne Held
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brauchte Saladin wegen seiner sozialen und ethnischen Herkunft umso dringender. Was für die zangidischen Türken gegolten hatte, traf auf die Ajjubiden als kurdische Söldner und Kriegsherren in erhöhtem Maß zu: Es lag nur allzu nahe, sie im gesamten Orient, der schon immer von arabischen und persischen Eliten dominiert wurde, als Emporkömmlinge und Randfiguren abzutun.
    In den 1170er-Jahren und darüber hinaus wollte Saladin seinen Aufstieg zu Macht und Ruhm dadurch legitimieren, dass er seine Rolle einerseits als Verteidiger des Islams und der sunnitischen Rechtgläubigkeit, andererseits als angeblicher Diener des Abbasiden-Kalifen in Bagdad herausstrich. Außerdem benutzte er die Idee des Dschihads, um zu begründen, warum es so notwendig war, die islamische Einheit unter einem einzigen Herrscher zu stiften. Genau wie einst Papst Urban II. sich die Macht zunutze gemacht hatte, die von der Vorstellung eines allgemein gefürchteten, bedrohlichen muslimischen Feindes ausging, um das Abendland zu einem ersten Kreuzzug zu vereinen, so war auch Saladin nur allzu bereit, die levantinischen Franken als bedrohliche und einzigartige Feinde darzustellen.
    Gleichzeitig war er offensichtlich bestrebt, seine eigene Hausmacht auszubauen und die Grundlage für eine stabile Dynastie zu schaffen. Nach 1170 ließ er sich »Sultan« (König oder Herrscher) nennen, ein Titel, der autonome Regierungsgewalt ausdrückt. Außerdem ließ er sich die Zeugung einer neuen Generation potentieller Erben angelegen sein. Über die zahlreichen Frauen und Sklavenmädchen, die seine Kinder empfingen, wissen wir nur wenig, doch bereits 1174, als Saladin 36 Jahre alt war, hatte er fünf Söhne; der älteste, al-Afdal, wurde 1170 geboren.
    DER NACHFOLGER NUR AD-DINS
    Im Sommer 1174 und in der Zeit danach war Saladin nicht der Einzige, der das Machtvakuum füllen wollte, das der Tod Nur ad-Dins im Vorderen Orient hinterlassen hatte. Mitglieder des Hofes und seines weiteren [315] Familienumkreises, der Zangidendynastie, versuchten entweder, sich auf eigene Füße zu stellen, oder sie erhoben direkten Anspruch auf die Nachfolge Nur ad-Dins. Es dauerte nur wenige Monate, bis das Reich der Zangiden, das über 28 Jahre hinweg so geduldig errichtet worden war, fast bis zur Unkenntlichkeit aufbrach und eine verwirrende Vielfalt von Protagonisten auf der politischen Bühne auftreten ließ.
    Im Osten, in Mesopotamien, waren zwei Neffen Nur ad-Dins an der Macht: Saif ad-Din in Mosul und Imad ad-Din Zangi im nahegelegenen Sindschar. Zwischen ihnen erhob sich nun ein Streit um die Herrschaft über das Gebiet westlich in Richtung Euphrat. In Syrien wurde Nur ad-Dins kleiner Sohn al-Salih zum politischen Pfand, indem sich diverse Gruppierungen als seine »Beschützer« aufspielten. Der Junge verschwand irgendwann, um dann in Aleppo wieder aufzutauchen, wo der Eunuch Gumushtegin sich nach blutigen Intrigen als beherrschende Kraft durchgesetzt hatte. Gleichzeitig griff in Damaskus eine Gruppe von Emiren, angeführt von dem Militärhauptmann Ibn al-Muqaddam, nach der Macht. Selbstverständlich erkannten in jenem Sommer auch die Lateiner einen ganz neuen Handlungsspielraum. Das vorrangige Ziel Amalrichs war die Rückgewinnung der Grenzsiedlung Banyas, die er ein Jahrzehnt zuvor an Damaskus verloren hatte. Zwei Wochen lang belagerte er die Stadt, doch eine plötzliche Krankheit machte es ihm unmöglich, seinen Vorteil zu nutzen, und er ließ sich gegen Zahlung von Bargeld und die Freilassung einiger christlicher Gefangener auf einen Waffenstillstand mit Ibn al-Muqaddam ein.
    Diese Welle hektischer Aktivitäten erfasste ganz Syrien, während Saladin in Ägypten den richtigen Augenblick abwartete. Im Sommer griff eine sizilische Flotte Alexandria an, und in Oberägypten versuchten einige fatimidische Emire, einen Aufstand anzuzetteln. Mit diesen Bedrohungen wurde Saladin schnell fertig, doch nach wie vor ging er das Problem der Nachfolge im Reich Nur ad-Dins mit großer Zurückhaltung an. Er war sich offenbar bewusst, dass man ihm nur allzu leicht vorwerfen konnte, in Despotenmanier nach der Macht gegriffen zu haben, daher verzichtete er auf die groben Werkzeuge von Invasion und gewaltsamer Unterdrückung und ging stattdessen mit diplomatischer List und gezielter Propaganda vor. Als Erstes schrieb er an al-Salih und versicherte ihn seiner Loyalität: Er erklärte, der Name des jungen Herrschers sei beim Freitagsgebet in Ägypten ordnungsgemäß an die Stelle des Namens

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