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Die Kreuzzüge

Die Kreuzzüge

Titel: Die Kreuzzüge Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Asbridge , Susanne Held
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offenkundig mit der Absicht, zusammen mit Nur ad-Din militärisch aktiv zu werden. Letzterer brach von Damaskus in Richtung Süden auf, und Saladin begann mit [308] der Belagerung von Montreal, doch nach kurzer Zeit beschloss er plötzlich, sich nach Ägypten zurückzuziehen, und das Zusammentreffen der beiden muslimischen Heere fand nicht statt. Ibn al-Athir, der Chronist aus Mosul, ein Fürsprecher der zangidischen Dynastie Nur ad-Dins, interpretierte diese Ereignisse als den Augenblick der definitiven Trennung Saladins von seinem Herrn: Er schreibt, eine »tiefe Kluft« habe sich zwischen ihnen aufgetan. Seiner Darstellung zufolge wurde Saladin erst vor Montreal von seinen Beratern über die tatsächlichen strategischen und politischen Folgen der Eroberung Transjordaniens aufgeklärt. Man habe ihn darauf hingewiesen, eine sichere Straße von Damaskus nach Ägypten werde dazu führen, dass Nur ad-Din auf die Nilregion ausgreifen würde, und Saladin sei gewarnt worden: »Wenn Nur ad-Din Euch hier antrifft, werdet Ihr ihm begegnen müssen, und dann wird er ganz nach Gutdünken seine Autorität über Euch geltend machen.« Daraufhin habe Saladin die Flucht ergriffen.
    Problematisch an der Darstellung Ibn al-Athirs ist, dass Saladin als naiver Befehlshaber geschildert wird, dem jeglicher Weitblick abging. Aber seine durchschlagenden Erfolge in Ägypten zeigen klar, dass er durchaus nicht naiv, sondern vorausschauend und scharfsinnig zu handeln pflegte. Er hätte mit Sicherheit von vornherein die weiterreichenden Folgen des Transjordanien-Feldzugs erkannt, schon lange bevor er tatsächlich vor Montreal eintraf. Leider schaffen die anderen uns vorliegenden Quellen kaum zusätzliche Klarheit über die Ereignisse: In einem Bericht wird vermerkt, Saladin habe seinen Rückzug mit dem Hinweis erklärt, dass in Ägypten ein Aufstand drohe; ein anderer zeitgenössischer arabischer Autor gibt nur an, es sei »etwas passiert«, das seinen überstürzten Aufbruch nach Kairo erzwang.
    Ibn al-Athir beschuldigt Saladin, noch eine weitere gemeinsame Operation mit den Zangiden sabotiert zu haben, bevor Nur ad-Din eintreffen konnte, diesmal gegen Kerak im Frühsommer 1173. Saladin belagerte zwar damals diese Festung, doch wahrscheinlich agierte er unabhängig von Damaskus, denn Nur ad-Din hatte sich um Konflikte in Nordsyrien zu kümmern und war gar nicht in der Lage, Truppen nach Transjordanien zu führen. 10
    Die Beweislage gegen Saladin für die Phase zwischen 1171 und 1173 ist also insgesamt uneindeutig. Man kann nicht kategorisch behaupten, er habe Nur ad-Din verraten, auch war er nicht als Einziger schuld daran, [309] dass der Dschihad nicht erfolgreicher war. Öffentlich bekräftigte Saladin jedenfalls nach dem Ende der Herrschaft der Fatimiden im Jahr 1171 seine ungeschmälerte Ergebenheit gegenüber der zangidischen Dynas-
tie – Nur ad-Din wurde in das Freitagsgebet eingeschlossen, und auf ägyptischen Münzen erschien sein Name neben dem des Abbasiden-Kalifen.
    Tatsächlich hatten etwaige Feindseligkeiten zwischen Damaskus und Kairo in den frühen 1170er-Jahren nicht unbedingt etwas mit gemeinsamen militärischen Aktionen zu tun, sondern es ging schlicht um Geld. Nur ad-Din wollte vor allem die Reichtümer Ägyptens anzapfen und forderte einen jährlichen Tribut von der Region. Zu diesem Zweck entsandte er einen Beamten aus Damaskus, der Ende 1173 die ägyptischen Einkünfte erfassen sollte. Als die finanziellen Nachforschungen in Ägypten in den ersten Monaten des Jahres 1174 ausgeweitet wurden, nahmen auch die Spannungen zu. Nur ad-Din wie auch Saladin stellten Truppen auf, wobei nicht mehr genau auszumachen ist, ob sie dies tatsächlich als Vorbereitung auf eine direkte Konfrontation taten oder ob es um einen erneuten Versuch ging, gemeinsam zu kämpfen. Sehr wahrscheinlich wollten beide, bevor sie sich auf intensivere diplomatische Streitigkeiten einließen, im Vorfeld ihre Stärke demonstrieren, aber sie wussten sehr wohl, dass sich daraus ein offener Konflikt ergeben konnte. Es lag eindeutig Zwietracht in der Luft, wie sogar Saladin selbst später gegenüber seinem Biographen zugab: »Wir hatten gehört, dass Nur ad-Din uns womöglich in Ägypten angreifen wollte. Mehrere unserer Vertrauten rieten uns, ihm offen Widerstand zu leisten und uns seiner Autorität nicht zu beugen; man solle gegen sein Heer in der Schlacht antreten und es zurücktreiben, wenn er seine feindselige Haltung beibehielt.« Dann fügte er offenbar

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