Die Kreuzzüge
geriet durch seinen Kampf um die Vorherrschaft in Syrien, vor allem durch seine Aktionen gegen Aleppo, ins Blickfeld der Assassinen. Zu Beginn des Jahres 1175 wurde er für Sinan zu einem Zielobjekt, wahrscheinlich war zumindest teilweise auch der Herrscher von Aleppo, Gumushtegin, an dieser Strategie beteiligt. Der Sultan hatte sein Lager außerhalb von Aleppo aufgeschlagen, und eine Gruppe von 13 mit Messern bewaffneten Assassinen schaffte es, bis ins Zentrum des Lagers vorzudringen und Saladin anzugreifen. Seine Leibwächter kamen ihm zu Hilfe; einen der Angreifer stachen sie nieder, als dieser sich schon auf den Sultan werfen wollte. So wurde der Anschlag zwar vereitelt, doch unter den Salahiyya gab es einige Opfer. Kurz darauf empfahl Saladin seinem Neffen Farrukh-Shah in einem Brief, jederzeit wachsam zu sein, und infolge des Anschlags wurde außerdem die Lage der Zelte Saladins innerhalb des Lagers entscheidend verändert: Sie wurden seitdem innerhalb einer befestigten, schwer bewachten Zone, isoliert vom Rest des Lagers, aufgeschlagen.
Trotz dieser Vorsichtsmaßnahmen gelang es den Assassinen, im Mai [322] des Jahres 1176 erneut zuzuschlagen. Saladin hielt sich im Zelt eines seiner Emire auf, als er von vier Assassinen angegriffen wurde, die diesmal der erfolgreichen Durchführung ihres blutigen Auftrags gefährlich nahekamen. Im anfänglichen Chaos des Anschlags wurde der Sultan getroffen, und nur seine Rüstung verhinderte, dass er lebensgefährlich verwundet wurde. Wieder stürzten sich seine Männer auf die Attentäter und schlachteten sie bis auf den letzten Mann ab, doch Saladin war im Gesicht verwundet worden und hatte einen schweren Schock erlitten. Sämtliche Mitglieder seines Gefolges, die er nicht persönlich kannte, wurden anschließend entlassen.
Im August des Jahres 1176 beschloss Saladin, sich dieser unberechenbaren Bedrohung direkt zu stellen. Er begann mit einer Belagerung der großen Assassinen-Festung Masyaf, die er allerdings nach kaum einer Woche abbrach, um sich wieder nach Hama zurückzuziehen. Der Grund für den Rückzug des Sultans sowie die Details etwaiger Abkommen, die er mit Sinan abgeschlossen hat, bleiben im Dunkeln. Einige muslimische Quellen geben an, es habe die Drohung gegeben, ein Mitglied der Ajjubiden-Familie nach dem anderen umzubringen, woraufhin Saladin sich auf einen Nichtangriffspakt mit dem Alten vom Berge eingelassen habe. Eine noch grausigere Erklärung bietet ein Chronist aus Aleppo: Ein Abgesandter Sinans sei in das Lager des Sultans gekommen. Nachdem er nach Waffen abgesucht worden war, erhielt er die Erlaubnis, vor Saladin zu erscheinen; der Bote bestand jedoch darauf, ihn allein zu sprechen. Der Sultan ließ sich darauf ein – lediglich seine beiden fähigsten und vertrauenswürdigsten Leibwächter sollten bei ihm bleiben, Männer, die er als seine »eigenen Söhne« ansah.
Der Bote wandte sich an die beiden Leibwächter und sagte: »Wenn ich Euch im Namen meines Meisters befehlen würde, diesen Sultan zu töten, würdet Ihr das dann tun?« Sie sagten, ja, das würden sie, und zogen ihr Schwert mit den Worten: »Befiehl uns, was du willst.« Saladin war bestürzt, und der Bote verließ ihn in Begleitung der beiden Leibwächter. Nach diesem Zwischenfall war Saladin bereit, mit [Sinan] Frieden zu schließen. 7
Man mag bezweifeln, ob sich diese Geschichte wirklich so zugetragen hat – wenn die Assassinen tatsächlich über Männer verfügt hätten, die so [323] nahe an Saladin herankamen, dann wäre es ihnen in den Jahren 1175 und 1176 mit Sicherheit gelungen, ihn umzubringen –, doch die Moral dieser Geschichte ist eindeutig: Es war völlig ausgeschlossen, sich auf Dauer vor den Assassinen zu schützen. Irgendwie brachten Saladin und Sinan offenbar im Jahr 1176 eine Abmachung zustande, denn der Sultan sah von da an von jeglichen Angriffen auf die Berg-Enklave der Assassinen ab, und es wurde kein weiterer Anschlag auf sein Leben mehr verübt.
SALADINS AJJUBIDISCHES REICH
Im Spätsommer des Jahres 1176 beendete Saladin die Auseinandersetzung mit Aleppo, die sich über fast zwei Jahre hingezogen hatte. Es gelang ihm, einen Vertrag auszuhandeln, in dem seine Herrschaft über Damaskus und einen Großteil Syriens festgeschrieben wurde, und so hielt er bereitwillig an der Fiktion fest, im Dienst al-Salihs zu stehen. Nach wie vor erschien der Name des jungen Herrschers in Saladins Territorien auf Münzen und wurde beim Freitagsgebet genannt. Zur weiteren
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