Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Kreuzzüge

Die Kreuzzüge

Titel: Die Kreuzzüge Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Asbridge , Susanne Held
Vom Netzwerk:
größten fränkischen Heere, die je in Palästina aufgestellt worden waren – es umfasste um die 1300 Ritter und 15 000 Fußsoldaten –, dennoch war es im Verhältnis zur Streitkraft der Muslime deutlich in der Minderzahl. Mit der Lenkung eines solchen Heeres mitten in einem ausgewachsenen Krieg hatte Guido kaum, wenn überhaupt Erfahrung, es verstand sich also von selbst, dass seine Fähigkeiten unter genauer Beobachtung standen, und nach den Kriterien der Militärwissenschaft machte er seine Sache nicht schlecht – nicht spektakulär, aber effektiv. Als Saladin erneut Bethsan überfiel und plünderte, befahl Guido einen geordneten Vormarsch; er setzte während des Marsches die Infanterie ein, um die Ritter zu schützen, [356] untersagte kleinere Scharmützel und vermied es, sich überstürzt in eine offene Schlacht hineinziehen zu lassen. Saladin, der hoffte, die Formation der Lateiner aufbrechen zu können, zog sich eine kurze Strecke nordwärts zurück, doch konnte er die Franken nicht zur Verfolgung bewegen, und beide Seiten bezogen in der Nähe des Dorfes Ain Dschalut im Abstand von anderthalb Kilometern ihre Verteidigungsstellungen. Fast zwei Wochen lang änderte sich an dieser Situation nichts, trotz der Versuche des Sultans, einen Angriff zu provozieren, und Mitte Oktober zog sich das muslimische Heer wieder über den Jordan zurück. Die Franken hatten den Sturm überlebt.
    Während des gesamten Feldzugs hatte Guido die bewährten Prinzipien der Defensivstrategie der Kreuzfahrer fast buchstabengetreu befolgt: Er sorgte für die Aufrechterhaltung der Truppendisziplin; versuchte, die Mobilität des Feindes durch geordneten Vormarsch zu begrenzen, verzichtete dabei jedoch auf jegliche waghalsige Konfrontation. Trotz seiner Umsicht und Kompetenz wurde er von seinen Rivalen am Hof jedoch in Bausch und Bogen verurteilt, weil er Saladin nicht daran gehindert hatte, das Königreich zu verwüsten; außerdem bemängelten seine Kritiker pauschal seine übertriebene Zaghaftigkeit, die sich mit echter Ritterkultur nicht vereinbaren lasse. Vorsichtiges Abwarten war eben möglicherweise taktisch klug, aber unter lateinischen Soldaten nicht sonderlich beliebt. Selbst erfahrenen Herrschern und bewährten Hauptleuten fiel es schwer, Befehle durchzusetzen, die auf den ersten Blick den Eindruck von armseliger Feigheit erweckten – im Jahr 1115 hatte Roger von Salerno gedroht, seine Männer zu blenden, wenn sie nicht in Reih und Glied blieben, und in späteren Jahren sollte Richard Löwenherz ähnliche Probleme mit dem Gehorsam seiner Gefolgschaft haben. Guido war ein unerfahrener Feldherr, dem erst vor kurzem die Regentschaft übertragen worden war und dessen Recht auf die Herrschaft noch nicht definitiv abgeklärt war. Was er im Herbst des Jahres 1183 am nötigsten gebraucht hätte, wäre eine klare Demonstration martialischer Unerschütterlichkeit gewesen, vielleicht sogar ein breitbrüstiger militärischer Sieg, um die Zweifler auf seine Seite zu ziehen und die Kritiker zum Schweigen zu bringen. Zumindest hätte er beweisen müssen, dass er die Willenskraft besaß, die nach Unabhängigkeit strebenden Aristokraten Jerusalems zu zügeln. Faktisch erwies Guido, indem er das für die Verteidigung des Königreichs Richtige tat, sich selbst einen gewaltigen Bärendienst. [357] Es überrascht nicht, dass seine politischen Gegner diese Gelegenheit ergriffen, um seinen Ruf zu ruinieren. 8
    Nach einer kurzen Pause zog Saladin Ende Oktober 1183 Richtung Süden nach Transjordanien, um Kerak zu belagern. Diesmal handelte es sich um eine sehr eindeutige Aggression, denn er führte schwere Belagerungswaffen mit sich, darunter mehrere Belagerungsmaschinen für den Sturm auf die Burg, doch es war auch eine willkommene Gelegenheit, sich mit seinem Bruder al-Adil zu treffen, der aus Ägypten gekommen war, um die Herrschaft über jüngst erobertes ajjubidisches Territorium in Nordsyrien zu übernehmen. Die Belagerung von Kerak fiel, möglicherweise bewusst, außerdem mit einer Hochzeitsfeier in den höchsten Kreisen des fränkischen Adels zusammen: Humfried IV. von Toron heiratete Isabella, die Halbschwester des Königs; die Hochzeit wurde von Rainald von Châtillon ausgerichtet; anwesend waren seine Frau Stephanie von Milly sowie Isabellas Mutter, Maria Komnena. Saladin mag erwogen haben, eine so erlesene Gesellschaft christlicher Adliger als Geiseln zu nehmen, das Lösegeld für sie wäre auf jeden Fall ein wahrer Goldregen gewesen. *

Weitere Kostenlose Bücher