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Die Kreuzzüge

Die Kreuzzüge

Titel: Die Kreuzzüge Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Asbridge , Susanne Held
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Saladins Dschihad gegen die Lateiner in den frühen 1180er-Jahren sich fast ausschließlich auf zwei Gebiete beschränkte, die für das Reich der Ajjubiden in strategischer, politischer und wirtschaftlicher Hinsicht besonders wichtig waren: zum einen Transjordanien, die Landroute von Ägypten nach Damaskus und außerdem Hauptdurchgangsstraße von Handelskarawanen und Pilgern nach Arabien; und zum andern Galiläa, das Territorium in lateinischer Hand, das für Damaskus die größte Bedrohung darstellte.
    Tatsächlich ließ Saladin damals keinerlei Bereitschaft erkennen, eine echte Invasion Palästinas zu beginnen, und er machte auch keine verbissenen Versuche, die Franken in der Schlacht direkt zu stellen. Kurz gesagt: Die lateinische Herrschaft über Jerusalem blieb unangefochten. Der Sultan führte Krieg gegen Outremer, doch scheinen seine Bemühungen zumindest teilweise eher dem Wunsch geschuldet, öffentlich sein Engagement für den Dschihad zu bekunden – gelegentlich hatten seine Angriffe fast eine Art Alibifunktion. Wenn man aus der heutigen Perspektive der Nachgeborenen auf die Ereignisse zurückblickt, wird schlagend deutlich, dass aufgrund der extremen Verwundbarkeit der Franken eine entschlossene ajjubidische Offensive gegen das Königreich Jerusalem dem Sultan umgehend den Sieg beschieden hätte, gerade in den Jahren 1183/1184. Zu seiner Verteidigung kann man vorbringen, dass er wohl vom wahren, erschütternden Ausmaß der Zwietracht und Schwäche der Christen nichts gewusst hat.
    [360] Außerdem ist zu beachten, dass einige arabische und lateinische Chroniken und Biographien, die sich auf die politischen und militärischen Ereignisse beziehen, zwar in den 1180er-Jahren wachsende Spannungen zwischen dem christlichen Outremer und dem ajjubidischen Islam verzeichnen, dass andere zeitgenössische Quellen dagegen ganz andere Eindrücke vermitteln. Der Pilger und Reisende Ibn Dschubair reiste genau in diesen Jahren durch das Heilige Land, er schloss sich im Herbst 1184 einer muslimischen Handelskarawane von Damaskus nach Akkon an und erlebte so viele Kontakte zwischen den Religionen und ein so friedliches Zusammenleben, dass er dies als ganz außergewöhnlich notierte:
    Zu den erstaunlichsten Dingen, die zu erwähnen sind, gehört, dass zwar Flammen der Zwietracht zwischen diesen beiden Parteien – den Muslimen und den Christen – brennen, doch es können zwei Heere von ihnen aufeinandertreffen und einander in der Schlacht bekämpfen, und trotzdem bewegen sich muslimische und christliche Reisende unbehelligt unter ihnen hin und her. Wir haben zum Beispiel Saladin mit all seinen muslimischen Mannen aufbrechen sehen, um die Burg Kerak zu belagern, eine der größten Festungen der Christen, die an der Straße [nach Mekka und Medina] liegt und die Überlandreisen der Muslime erschwert [. . .].
    Dieser Sultan belagerte die Burg, er bedrängte sie hart, und die Belagerung dauerte lang, doch die Karawanen zogen weiterhin eine nach der anderen von Ägypten nach Damaskus, sie durchquerten das Land der Franken, ohne von ihnen behindert zu werden. Ebenso waren die Muslime ständig [durch fränkisches Gebiet] von Damaskus nach Akkon unterwegs, und genauso wenig wurden die christlichen Händler [auf muslimischem Territorium] angehalten oder schikaniert.
    Dieser faszinierende, erhellende Beleg lässt erkennen, dass die florierenden Handelsbeziehungen, die die Welten der Christen und der Muslime verbanden, in jenen Jahren unvermindert weiterbestanden. Ibn Dschubairs Zeugnis scheint die Vorstellungen von einem heftigen, unerbittlichen Konflikt zwischen den beiden rivalisierenden Mächten zu widerlegen. Wenn seine Darstellung der levantinischen Welt repräsentativ [361] ist – Ibn Dschubair war ja ein Außenseiter und verbrachte nur wenige Monate in der Region –, dann gewinnt die Vermutung, dass der Dschihad für Saladin ganz offensichtlich nicht absoluten Vorrang hatte, doch eine gewisse Plausibilität. 10
    Doch wie tief auch immer die Kluft der Feindschaft zwischen dem Islam und den Franken gewesen sein mag – im darauffolgenden Jahr verschärfte sich die Führungskrise innerhalb des Königreichs Jerusalem entscheidend. Im Herbst 1184 verschlimmerte sich der Gesundheitszustand Balduins IV. wieder, und nun war ganz klar, dass er bald sterben würde. Trotz seiner wiederholten Zweifel an der Treue Raimunds von Tripolis bestimmte Balduin ihn zum Regenten – die einzige realistische Alternative wäre Rainald von Châtillon

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